Apaga la tele, vive tu vida!
Liest man diesen Satz, kommt es einem vor, als ob man aus der Narkose aufwacht.
Es gibt viele, ja sehr viele unter uns, die von 10 Uhr morgens bis 22 Uhr abends zwischen Aufstehen, Kochen, Essen, Einkaufen und Schlafen gehen die Fernbedienung in der Hand haben und sich durch das Fernsehprogramm zappen. Dabei kommt noch nicht einmal das Gefühl auf, einen ganzen Tag mit Unnützem vergeudet zu haben.
Normalerweise liegt es dem Geisterspiegel fern, ähnlich anderen Formaten den x-ten Aufguss zum Thema deutsche Fernsehlandschaft ins Netz zu stellen. Es ist in der Zwischenzeit hierzu bereits alles gesagt, geschrieben und in den Weiten des World Wide Web verbreitet und nachzulesen.
Normalerweise, hätte da nicht dieser Tage unser Bundestagspräsident Norbert Lammert anlässlich einer Laudatio auf den ZDF-Fernsehmoderator Claus Kleber, der für seine Verdienste in Berlin mit dem Karl-Carsten-Preis geehrt wurde, öffentlich Kritik an der deutschen Medienwelt geäußert.
Wobei Kritik das falsche Wort ist. Es war eher ein Rundumschlag, und zwar einer von der Sorte, die mich angenehm überrascht hat. Denn Hand aufs Herz, wann hatte ein Politiker das letzte Mal die Eier, einen Missstand, der dem normalen Bürger schon längst bekannt ist, öffentlich anzuprangern? Ohne dass eine Wahl vor der Tür steht und dieser oder jener mit einem höher dotierten Posten liebäugelt.
Lammert würdigte den Moderator als einen der auffälligsten und meinungsbildenden Journalisten in Deutschland und verwies auf ein Zitat Klebers, wonach die Medien nicht nur fragen sollten, was die Menschen sehen wollen, sondern was sie sollten. Genau darin liegt das Problem der deutschen Medienwelt, denn diese Vorgaben würden vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk regelmäßig verfehlt.
Die Tatsache, dass die Medien immer weniger ihrem eigentlichen Auftrag der seriösen Unterhaltung nachkommen, wirft Lammerts Meinung nach die Frage auf, inwieweit das System der staatlichen Rundfunkgebühren noch gerechtfertigt ist.
Und damit trifft er wahrscheinlich nicht nur meinen Nerv. Er spricht das aus, was viele denken. Ob sich etwas ändert, sei dahingestellt. Es ist zu hoffen, denn allmählich äußert sich auch die hohe Politik zu dem Gebaren der Sendeanstalten.
Denn sind wir ehrlich, aus den Medienzentralen der deutschen Fernsehanstalten ist derzeit nur noch Quote, Quote und nochmals Quote zu hören. Dabei schrecken die Programmverantwortlichen vor keinem Fauxpas zurück. Es ist allmählich kein Geheimnis mehr, dass deutsches Fernsehen in seiner derzeitigen Form als gesundheitsschädigend eingestuft werden muss.
Ich würde sogar weiter gehen und behaupten, dass sich das Fernsehen in der jetzigen Form hierzulande allmählich selber abschafft.
Die Privaten versuchen sich in puncto Trash, Billigkeit und Blödsinn gegenseitig zu überbieten und die Öffentlich-Rechtlichen steuern mit ihrer Gutmenschenhaltung aus höflich, nett und schleimig dagegen.
Wer freches oder innovatives Fernsehen will, muss Phoenix, Arte oder ZDF neo einschalten.
Dass es auch anders geht, hat nicht nur unser Bundestagspräsident erkannt.
Wir brauchen Fernsehschaffende wie Kleber, aber wir brauchen auch den mündigen Zuschauer.
Wenn Frau beziehungsweise Mann bei Formaten wie Scripted Realitys oder Shows, in denen Frauen in die Wüste geschickt werden, mal öfters den Aus-Knopf der Fernbedienung benutzen würden, hätte sich so manches schon längst erledigt. Aber nur über den Schrott im TV zu meckern und nichts unternehmen, funktioniert nicht.
Wie wäre es mal mit nicht einschalten?
Angesichts der zu erwartenden Quoten würde vielleicht der eine oder andere Verantwortliche doch aufhorchen, vielleicht.
Ein Versuch ist es allemal wert, denn schlimmer geht es derzeit nimmer.
Apaga la tele, vive tu vida! Mach die Glotze aus, lebe dein Leben!
Viel muss ich dazu nicht mehr sagen …
(gs)