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Mahpiya-win – Die Entscheidung – Teil 7

Ein neuer Tag brach an. Nur mühsam durchdrangen die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne den Frühdunst, der sich in dichten Schwaden über die Sierra Carrizo gelegt hatte. Die Rauchsäule des Lagerfeuers war in der Morgendämmerung kaum wahrzunehmen. Zielsicher ritten Whitelock und seine Begleiter auf das verborgene Camp zu. Es lag in einer Bodensenke, eingebettet von dichtem Gebüsch aus Yuccapflanzen. Wäre der Rauch und der Geruch von verbranntem Holz nicht gewesen, hätten sie den Lagerplatz nicht entdeckt. Whitelock wusste, dass die Bande, deren Spur sie folgten, sich inzwischen getrennt hatte. Einer dieser Männer befand sich unter den Strauchdieben, auf deren Lager sie zuritten. Auch die anderen würde er zur Rechenschaft ziehen. Er hatte noch immer bekommen, was er wollte und dazu war ihm jedes Mittel recht. Er zügelte sein Pferd, glitt aus dem Sattel und dirigierte seine Männer. Geduckt liefen sie auf das Lager zu, wo sich allmählich Leben regte. Holzscheite zersprangen knackend im Feuer, Pferde schnaubten, Männer redeten und lachten. Sie schienen sich sehr sicher zu fühlen, es gab nicht einmal einen Wachposten. Als sie sich mit ihren Blechtassen um die verbeulte Kaffeekanne scharten, die auf einem Dreibein mitten in den Flammen stand, traten Whitelock und seine Begleiter aus der Deckung. Die sieben Männer am Feuer wirbelten herum und versuchten an ihre Waffen zu gelangen. Instinktiv krümmte Whitelock den Finger um den Abzug und schoss auf den Vordersten. Der Getroffene brüllte laut auf und taumelte rückwärts. Sein Hemd färbte sich dunkel.
»Streckt die Arme zum Himmel.«
Die Männer am Feuer rissen beinahe gleichzeitig die Arme in die Höhe.
»Verdammt, was soll das?«, fragte einer von ihnen.
»Wer von euch ist Gus Jennings?« Whitelock blickte die Kerle der Reihe nach an.
Sie wirkten alle abgerissen und verschlagen wie ein Rudel Wölfe. Nur einer von ihnen passte nicht ganz zur Bande. Ein hoch aufgeschossener blassgesichtiger Bursche mit feuerrotem Haar und einem breitkrempigen Texashut, den er weit in den Nacken geschoben hatte. Obwohl er seinen Blick störrisch erwiderte, erkannte Jeremiah, dass dieser Junge noch nicht ganz verdorben war. Er benahm sich aufsässig, wirkte aber auf ihn wie ein kleiner Straßenköter, der überall und immer wieder getreten wurde. Als er keine Antwort erhielt, starrte Whitelock wieder auf den Jungen.
»Wer von deinen Freunden hier ist Jennings?«
Der Rothaarige nahm die Unterlippe zwischen die Zähne und blickte hektisch umher.
»Halt bloß dein Maul, Bill«, verlangte der Mann, der neben ihm stand. »Und ihr schert euch zum Teufel.« Sein Blick war auf Whitelock gerichtet. Er versuchte seine Stimme sicher und fest klingen zu lassen, aber sein hüpfender Adamsapfel zeigte deutlich seine Angst.
Ein kaltes Lächeln umspielte Whitelocks Lippen, während er James Shannon zunickte. Er wusste, dass er sich auf ihn verlassen konnte. Er war der Zuverlässigste von seinen Leuten, er schoss zielsicher, aber lachte nie. Wahrscheinlich konnte er es gar nicht.
»Verpass dem Großmaul eine Kugel, James. Vielleicht kapieren dann die anderen endlich den Ernst der Lage. «
Der große, hagere Mann mit dem Gesichtsausdruck eines Habichts, der seine Beute erspäht hatte, reagierte sofort. Seine Rechte zuckte nach unten. Eine Sekunde später blitzte es an seiner Hüfte auf. Die Kugel seines großkalibrigen Revolvers durchschlug den Oberschenkel des Redners. Der Mann sank in die Knie und wimmerte leise. Sein linkes Hosenbein war voller Blut.
»Wer von euch ist Gus Jennings?« Whitelocks Stimme war gefährlich leise.
Wie auf Kommando ruckten die Köpfe der Banditen auf einen Mann in ihrer Mitte, der sichtlich erblasste.
»Was es auch ist, ich bin sicher, wir können uns einigen«, stotterte dieser.
Langsam schüttelte Whitelock den Kopf. »Erinnerst du dich an die Ranch am Wolf Creek, oben im Norden, letzten Winter? Ihr habt meine Tochter entführt und ihren Mann ermordet.«
»Das war nicht meine Idee«, rief Jennings. »Hoover war der Anführer und Blake hat zugestochen. Ich wollte das nicht.« Sein flehender Blick blieb an Whitelock hängen.
»Was denkst du«, fragte Whitelock, »soll ich mit dir machen?«
»Mit Entführung und Mord hab ich nichts zu tun«, beeilte sich Jennings mit lauter Stimme, die seine Angst widerspiegelte, zu sagen. »Ich helfe euch, Hoover zu suchen. Er ist mit Blake Richtung Osten geflüchtet. Hier ist ihm der Boden zu heiß geworden.«
»Ins Indianerland?« Whitelock schaute ihn kopfschüttelnd an. »Jennings«, flüsterte er, »Mit jeder Lüge wird dein Sterben schlimmer werden.«
»Es ist wahr.« Jennings Stimme überschlug sich vor Angst. »Hoover ist ein gesuchter Mörder, auf den ein Kopfgeld ausgesetzt ist. Dort sucht ihn niemand, weil die genug mit den Rothäuten zu tun haben.« Jennings Blicke irrten von einem zu anderen seinen Kumpanen, von denen er jedoch keine Hilfe erwarten konnte und  zu Whitelock. Was er in Whitelocks Augen las, schien ihn zu erschrecken. »Ich helfe euch, ihn zu suchen. Ich wisst nicht wie Hoover aussieht, ich schon.«
»So viele Schwarzgelockte mit einer Narbe an der rechten Wange gibt es nicht, Jennings.« Whitelocks Stimme war freundlich, doch Jennings spürte die Gefahr, denn er trat einen Schritt zurück. Niemand sprach ein Wort, selbst die beiden Verletzten hörten auf zu jammern.
Whitelock zog seinen Revolver. »Jetzt sind nur noch zwei von euch übrig.« Mit diesen Worten schoss er.
Einer von Jennings Kumpel hechtete zu seinem Schlafplatz, um sein Gewehr zu greifen. Er war tot, noch bevor er seine Waffe fassen konnte.
»Wollt ihr mitmachen?«, fragte Whitelock die anderen, die mit erhobenen Händen dastanden.
Der eine schüttelte den Kopf. »Ist nicht unsere Sache.«
»Wir verschwinden jetzt. Sollte sich einer von euch rühren, ist er schneller tot, als er denken kann.« Whitelock erwartete keine Antwort.
Shannon sicherte ihren Rückzug, bevor er selbst verschwand.

Fortsetzung folgt …