Byzanz
Historischer Roman, Hardcover, Bastei Lübbe, Köln, Mai 2013, 717 Seiten, 19,99 Euro, ISBN: 9783431038699
Byzanz. In diesem einen Wort stecken so viel Geschichte, Mystik, Fantasie und Exotik. Aber dahinter verstecken sich auch so viel Korruption, Armut, Elend und schließlich Niedergang. Byzanz war einst die glänzende Perle der Welt, nach außen. Doch innerlich war diese Kaiserstadt stets zerfressen von Intrigen, machthungrigen Politikern und profitgierigen Händlern. Und so taucht der Leser ein in eine Welt voller Reichtum und Dekadenz, voller Arroganz und Hochmut und voller Dummheit und blindem Ehrgeiz.
Erzählt wird die Geschichte der Händlerfamilie Notaras, in der Hauptsache festgemacht an der Figur des Händlers Loukas Notaras, den der Leser als jungen Mann kennenlernt und den er auf seinem Weg hin in die Reihen der Großen und Mächtigen der Kaiserstadt begleitet. Daneben findet der Leser einen zweiten Handlungsstrang, der sich dem großen Widersacher des Loukas Notaras widmet, dem Adligen und Raufbold Alexios Angelos. Ihren ersten Kampf fechten die beiden um eine Frau aus, die Nichte des Kaisers Eirene. Aber keiner der beiden würde einen solchen Kampf einfach mit einem Schwert oder einem Säbel angehen. Während Loukas, das Händler, eher der Mann der Diplomatie und notfalls auch der gezielten Intrige ist, ist Alexios eher ein Gegner, der gedungene Mörder beauftragt, seine Ziele erreichbar zu machen. Eirene legt sich schließlich auf Loukas fest und so steigt die Händlerfamilie Notaras auf in die engeren Kreise des Hofes, mitten hinein in eine Zeit, an deren Ende der Untergang der einstigen Metropole und ihre völlige Einnahme durch die Osmanen stehen.
Und so lernt der Leser auf seiner mehrere Jahrzehnte währenden Reise an der Seite der beiden Hauptfiguren nicht nur eine Menge Länder und Menschen kennen, er erkennt vor allem eines: Byzanz hätte, mit etwas weniger Dekadenz und etwas mehr politischem Geschick, noch einige Hundert Jahre als christliches Reich bestehen bleiben können.
Sebastian Fleming schafft es im vorliegenden Buch, sowohl Byzanz als auch die anderen Orte, an die er seine Leser entführt, jeweils aufs Neue lebendig werden zu lassen. Die Art, wie er beschreibt und wie er die Handlung geschehen lässt, nehmen den Leser schnell gefangen, sodass auch die Dicke des Buches nicht störend wirkt, sondern eher die Möglichkeit bietet, die Figuren, denen man gern durchs Leben folgt, noch etwas länger Gesellschaft zu leisten. Dabei bietet sich manche Gelegenheit, in der man den Figuren zu einer anderen Handlungsweise raten möchte, ab einem gewissen Zeitpunkt das Ende nahezu unausweichlich auf die Protagonisten zukommen sieht. So bietet das Buch nur wenige Überraschungen und kaum unvorhersehbare Wendungen, besticht aber durch historische Genauigkeit und einen wunderbaren kurzweiligen Erzählstil. Es ist kein Buch, das dem Leser den Atem raubt, ihn in Spannung fesselt und nicht mehr loslässt, bis die Auflösung bekannt ist. Viel mehr ist es Lektüre für Genießer, für Leser, die in historische Romane eintauchen, eine andere Epoche erleben möchten. Genau dieses Erlebnis, dieses Gefühl, dabei zu sein, das schafft Fleming dem Leser zu vermitteln.
Dabei haben seine Charaktere jenen Tiefgang, den nur Figuren erreichen können, die bis ins kleinste Detail durchgeplant oder recherchiert worden sind. Wo eine Entscheidung erwartet wird, entscheiden sie sich zwar nicht immer vorhersehbar, aber im Nachhinein immer nachvollziehbar und charakterkonform, sodass sich ein stimmiges und passendes Gesamtgebilde ergibt.
Byzanz ist letztlich historisches Sachbuch und Roman in einem, wobei manch historisches Detail vielleicht der künstlerischen Freiheit gewichen sein mag, aber unter dem Strich gibt dieses Buch ein treffendes und einmalig gut beschriebenes Bild der Stadt Byzanz und ihrer letzten Jahrzehnte als christliche Kaisermetropole.
Fazit:
Ein Buch, das man gelesen haben sollte, wenn man sich für Geschichte und Kultur interessiert.
(jpp)