Hörspiele – Das klinisch reine Medium?
Hörspiele – Das klinisch reine Medium?
Wie das so ist, man möchte eigentlich ein Thema aufgreifen, schaut kurz in ein Forum – und weiß, dass man über etwas ganz anderes schreiben wird.
So erging es mir, als ich diesen Leitartikel begann. Also vor knapp fünf Minuten!
Ich hatte die Textverarbeitung schon geöffnet, schaute nur noch kurz in ein Hörspiel-Forum – und schon änderten sich meine Pläne.
Grund ist die Aussage eines Users dort zu Christoph Schwarz. Die Serie erscheint seit vielen Jahren regelmäßig als Taschenbuch und seit einiger Zeit auch als Hörspiel.
Nun schrieb besagter User, dass er der Serie leider den Rücken gekehrt habe. Grund sei, dass Christoph Schwarz seine Freundin betrogen habe! Und dies widerspräche seinen moralischen Grundsätzen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Hörer – Hörer, nicht Leser – ein Problem mit den recht offenherzigen Szenen meiner Werke haben. So beschwerten sich bereits Hörer der Schatzjägerin über Sexszenen, die es vom Buch ins Hörspiel geschafft hatten.
Sex in einem Hörspiel – das geht gar nicht, so der Tenor.
Offenbar ist das Hörspiel ein klinisch reines Medium, in dem Menschen keinen Sex haben. Helden, oder jene, die man dafür hält, sind zudem moralisch einwandfrei, stehen über den Dingen und handeln stets edel und gut.
Damit dürfte das Medium anderen Spannungsmedien um etwa 30 Jahre hinterher hinken, denn so lange ist es schon her, dass entsprechende Helden genutzt wurden.
Irgendwann, so Mitte bis Ende der Achtziger und spätestens mit Stirb Langsam wurden die Helden zu Menschen, die eben ihren Job tun und dabei ihre eigenen Schwächen und Probleme haben; manche trinken, andere nehmen Dope, sie rauchen, wachen mit Kater auf und haben – igitt! – Sex!
In der heilen Welt des Hörspiels sollen solche Helden scheinbar nicht existieren. Dort ist man nach wie vor hygienisch einwandfrei; nahezu steril! Schaut man sich so manche Helden an, könnte man sofort an Diabetes erkranken, so zuckersüß ist ihr Handeln.
Zwar sind Gute gut, weil sie Gutes tun. Diese einfache Formel gilt natürlich auch in meinen Romanen. Nur bezieht sich das auf die eine Sache, die sie zu tun haben; etwa Abaddon in den Arsch treten!
Es bezieht sich nicht darauf, dass Jaqueline die Nacht züchtig und brav alleine in einem Hotelzimmer verbringt, da sie ja keine Freundin hat, die sie begleitete. Wenn sie die Werbung für einen Escort-Service sieht und beschließt, sich eine junge Frau für die Nacht zu bestellen, so ändert das nichts daran, dass sie am nächsten Tag dennoch Abaddon in den Allerwertesten tritt und den Fall abschließt. Es ändert nichts daran, dass sie die Gute ist, weil sie Gutes tut und das Böse bekämpft.
Es bedeutet lediglich, dass sie ein Mensch mit Bedürfnissen ist, denen sie nachgibt.
Natürlich möchten Hörspielhörer nicht hören, was Jaqueline und besagte Dame tun. Sie wollen die Action des Kampfs, nicht die Action der Erotik.
Interessanterweise entstammen viele Helden, die den Hörern aufgrund ihres Gutmenschentums genehmer sind, dem Heftroman-Genre. Denn auch an den Helden dort ging die Entwicklung spurlos vorbei; John Sinclair ist noch immer der gleiche, gute Typ, der er 1980 war, und auch im Hörspiel hat er sicherlich keine Affären mit hübschen Vampirinnen, die an seinem kleinen Johnny nuckeln.
Die Heftromanhelden sind unangetastet die Guten. Nicht nur, weil sie Gutes tun, sondern auch, weil sie keine Schwächen haben.
Das erinnert mich ein wenig an den Film Falsches Spiel mit Roger Rabbit! Dort sagt Rogers Ehefrau, eine Sexbombe, und wie die meisten Charaktere des Films eine Trickfigur: »Ich bin nicht schlecht! Ich bin nur so gezeichnet!«
Das trifft auf die wahnsinnig guten Helden der Heftroman- und Hörspielwelt ebenfalls zu. »Ich bin nicht gut! Ich bin so gezeichnet!«
Nun könnte man ja annehmen, dass die Welt solche Helden braucht. Aber das ist wohl nicht der Fall. In einer der Sommer-Sondersendungen der Games-Sendung Insert Coin mit dem Thema Superhelden-Spiele wurden die Redakteure des Magazins gefragt, welche Superhelden sie mögen, und welche nicht. Sehr viele gaben an, Superman nicht zu mögen – er sei einfach zu gut!
Den harten Kern der Hörspiel-Fans wird das natürlich nicht beeindrucken. Bei ihnen muss der Held weiterhin klinisch rein sein! Und wehe, er ist es nicht!
Nun, diese Fans sollten meine moralisch zweifelhaften Charaktere besser meiden. Denn auch wenn besagter User aus der Einleitung hofft, dass sich Chris zu einem treuen Menschen entwickeln wird, muss ich ihn und alle, die wie er einen aalglatten Typen wollen, enttäuschen. So einen Helden gibt es bei mir nicht – und, wie schon Wowereit bei anderer Gelegenheit sagte: »Das ist auch gut so!«
(ga)