Jimmy Spider – Folge 33
Jimmy Spider und der Ausbruch – Teil 1 von 6
Wie ein dunkles Leichentuch lag die Schwärze der Nacht über der einsamen Steppe im Osten Sibiriens. Kein Stern funkelte am Himmel, auch der Mond war nicht zu sehen, als hätten sich die Gestirne vor dem versteckt, was dort von Menschen unbemerkt durch die Lüfte glitt.
Hätte jemand das metallene Ungetüm bemerkt, er hätte es wohl für ein UFO gehalten. Aber das war es nicht. Ganz im Gegenteil – an Bord befanden sich keine Außerirdischen, die zufällig nach dem Mars falsch abgebogen waren, sondern Menschen. Menschen, die bereit waren zu töten, wenn es ihren Zielen diente. Und ihr Ziel war nahe, sehr nahe …
***
Ganz so einsam und verlassen, wie die sibirische Steppe in jener Gegend zu sein schien, war sie in Wirklichkeit jedoch nicht. Zumindest offiziell verirrten sich hierher höchstens ein paar Tiere, vielleicht Hirsche, Wölfe oder Bären. Eine Stadt, ein Dorf oder ein Gebäude war auf keiner offiziellen Karte verzeichnet. Und doch stand hier etwas: ein Gefängnis.
Die steinerne Festung, die in der Weite Sibiriens wie verloren wirkte, war ein aus drei würfelförmigen Gebäuden bestehender Komplex, wobei sich das größte in dessen Mitte befand und alle drei Teile durch über- und unterirdische Gänge miteinander verbunden waren. Zusätzlich wurde das Gelände von zwei metallischen Zäunen und einer Steinmauer umschlossen. An jeder Ecke der Mauer befand sich ein Wachturm.
Tore existierten nicht. Was gebraucht wurde, wurde von Helikoptern gebracht, für die sich innerhalb der Mauern ein Landeplatz befand.
An Sicherheit war nicht gespart worden, schließlich ging es den Erbauern darum, einen brandgefährlichen Mann für den Rest seines Lebens von der Außenwelt abzuschotten. Einen Mann, den seine Feinde als Top-Terroristen und Tyrannen, seine Verbündeten hingegen als Halbgott, Erlöser und großen Meister bezeichneten. Sein Name: Vijay Brahma Singh.
Vor fünf Jahren hatte er gemeinsam mit seinen Anhängern versucht, die Welt ins Chaos zu stürzen und sich als neuen Herrscher, als Abgesandten der Götter zu proklamieren. Nur ein glücklicher (oder für ihn eher unglücklicher) Zufall hatte ihn daran gehindert, seinen Plan zu vollenden.
Man hatte ihn verhaftet, eingesperrt und in dieses eigens für ihn erbaute Gefängnis gesteckt.
In seiner Zelle gab es kein natürliches Licht. Lediglich eine Neonlampe an der Decke erhellte den recht spartanisch eingerichteten Raum. Ein Bett, ein Schrank mit Büchern, ein Stuhl und ein Tisch, mehr befand sich nicht in seiner Zelle. Nebenan gab es noch einen Waschraum, den aber konnte er nur betreten, wenn seine Bewacher eine bestimmte Tür elektronisch entriegelten.
Oft lag er wie in diesem Augenblick auf seinem Bett, die Hände gefaltet auf seinem Bauch liegend, und starrte vor sich hin. Seine Bewacher, die ihn rund um die Uhr mit Videokameras im Auge behielten, erhielten den Eindruck, dass er einfach da lag und nichts tat.
Wer ihm aber in diesem Augenblick die Hände vor die Augen gehalten hätte, der hätte gemerkt, dass sich Singh in einer ganz anderen Sphäre befand, in der er sich möglicherweise mit seinen Göttern unterhielt.
Allein sein Name zeugte schon von seinem Herrschaftsanspruch. Vijay, der Sieger; Brahma, der Gott der Schöpfung; Singh, der Löwe. Wer diesen Namen hörte, erzitterte vor seiner Macht. Wer ihn aussprach, der tat dies nur flüsternd und voller Angst. Angst vor Vijay Brahma Singh und seinen zahlreichen Dienern, die man auch als Namenlose und Schatten bezeichnete.
Zumindest war dies lange Zeit der Fall gewesen. Nun aber war er eingesperrt wie ein Tier, isoliert von der Außenwelt und seinen Anhängern. Wer da draußen jetzt seinen Namen aussprach, der zeigte keine Furcht mehr, denn der Halbgott war gefallen. Nicht tot, aber vielleicht war dies für ihn ein noch schlimmeres Schicksal.
Vor seinem inneren Auge erschien ein Mann. Grauschwarze, nach hinten gekämmte Haare. Ein von einem Vollbart bedecktes Gesicht, das zwar Falten aufwies, aber auch noch immer die Stärke der Jugend. Ein schwarzer Anzug, schwarze Krawatte und auch schwarze Schuhe. Seinen Mund zu einem Lächeln verzogen, das all seine Triumphgefühle widerspiegelte.
So hatte Vijay Brahma Singh ihn damals gesehen, als man ihn abgeführt hatte. Sein Name hatte sich förmlich in sein Gedächtnis gebrannt: Sir Gerald Spider.
Wenn er hier herauskam – und er war sicher, dass dies passieren würde -, würde ihm seine ganze Rache gehören. Ihm und seiner Familie. Dabei dachte er vor allem an seinen Sohn, Jimmy Spider. Er hatte damals Daksha Singh, seinen einzigen Sohn, im Kampf getötet. Und dann die Schande, die er über seine Tochter Shatarupa gebracht hatte …
Diese beiden Männer würden bald schon ihrer gerechten Strafe zugeführt werden, da war er sich sicher.
Vor etwa einer Woche hatte er die Botschaft erhalten. Eine Stimme war wie aus dem Nichts in seinen Ohren aufgeklungen und hatte ihm angekündigt, dass seine Befreiung kurz bevorstand. Und nun war es soweit, das spürte er ganz deutlich. Der Tag der Befreiung war gekommen – und damit auch der Tag der Abrechnung …
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