Westernkurier 08/2007
Auf ein Wort, Stranger, heute geht´s zum Rodeo.
In unsere Sprache übersetzt bedeutet das Ganze in etwa soviel wie Reiterkraftspiele, spanisch heißt der Begriff Auftrieb. Seinen Ursprung hatte dieses Spektakel allerdings in Mexiko, wo nach jedem Viehauftrieb die sogenannten Jaripeos, zu deutsch Reiterspiele, stattfanden. Aus diesen regellosen und wilden Reiterkraftakten bildeten sich nach und nach olympiareife Wettkämpfe mit strengsten Regeln.
Das Ganze begann zunächst mit einer Parade aller am Wettkampf teilnehmenden Akteure, die natürlich auf das Farbenprächtigste herausstaffiert waren. Angeführt wurde und wird auch heute noch diese Parade von der obligatorischen Blaskapelle und nicht zu vergessen von beinschwingenden, knackigen Cowgirls in engen Stiefeln und noch engeren Röcken, deren Stoff teilweise so knapp bemessen ist, dass selbst einem presbyterianischen Priester der Schweiß ausbricht.
Danach werden Reden gehalten, Vorjahressieger der einzelnen Disziplinen vorgestellt, Ehrengäste begrüßt, auf Sponsoren hingewiesen, Späßchen gemacht, hedahä hedahä hedahä, (dieser Begriff ist made by my daughter und bedeutet in etwa soviel wie … und überhaupt und außerdem, jetzt gebe ich auch noch meinen Senf dazu, ich will auch in der Ehrenliste des Vereins namentlich erwähnt werden, u.s.w., ich hoffe ihr versteht, was ich meine.) kurz gesagt, erst nachdem sich die notgeilen alten Vorstandssäcke an den Kurven der vorbeimarschierenden Girls sattgesehen haben und die Beweihräucherung aller Offiziellen beendet ist, findet der eigentliche Wettkampf statt. Ein Vorgang, der beinahe in jedem Verein, gleich welcher Sportart, auch hierzulande des Öfteren zu finden ist.
Die erste Disziplin ist das Wildpferdereiten, genannt Bronc Riding, bei dem es zwei Varianten gibt. Zum einen das sogenannte Bareback Bronc Riding, also das sattellose Wildpferdreiten, bei dem das Pferd zwei straff angezogene Leibgurte trägt, Ersterer befindet sich hinter den Vorderbeinen, hat oben auf dem Rücken einen Griff, (engl. Surcingle) an dem sich der Reiter festhalten kann und letzterer ist dicht vor den Hinterbeinen um den Leib des Tieres gelegt und dient nur dem Zweck, den Willen des Wildpferdes >Bronc< zum Bocken zu fördern. Während also eine Hand des Reiters den Surcingle umklammert, muss die andere Hand so gehalten werden, dass sie das Pferd niemals berührt. Ein solcher Ritt ist auf 8 Sekunden begrenzt.
Die zweite Disziplin ist das Saddle Bronc Riding, die etwas zivilere Version des Wettkampfs zwischen Mann und Pferd. Jetzt trägt das Pferd einen leichten Bronc-Sattel, der mit schmalen Steigbügeln besetzt ist und ein einfaches Zügelstück aus Hanfseil besitzt. Hierbei hat sich der Reiter zehn Sekunden im Sattel zu halten. Pferd und Reiter werden übrigens in beiden Varianten getrennt bewertet.
Danach beginnen die Wurfseildisziplinen.
Beim Calf Roping muss der geübte Reiter innerhalb einer Zehntelsekunde ein aus einem Gatter sausendes Kalb mit der Wurfschlinge einfangen. Also mit dem Lariat und nicht mit dem umgangssprachlich geläufigeren Begriff Lasso. An solchen Äußerungen erkennt man nämlich den echten Westerner.
Danach folgt das Einzelstierbinden, eine Abart des Calf Roping. Hier muss ein ausgewachsener Stier mit dem Wurfseil gefangen, mit einem Seilwurf umgeworfen und vom abgestiegenen Reiter blitzschnell mit dem Seil an den Beinen zusammengebunden werden.
Dann folgen Dinge wie Bull Dogging oder Bull Riding .
Danach gibt es die sogenannte Rodeo-Pause, die von den Rodeo-Clowns ausgefüllt wird. Diese teilweise in alberne Kostüme gesteckten Artisten beweisen dem staunenden Publikum immer wieder aufs Neue, was alles im Umgang mit den Tieren möglich ist.
Danach versorgen aufgedrehte, bonanzageschädigte und Clint Eastwood anhimmelnde Familienväter ihren Anhang mit Pommes, Cola oder Burgern, selbstverständlich zu Preisen, mit denen eine vierköpfige Familie durchaus ihren wöchentlichen Haushaltsetat bestreiten könnte.
Wenn ich hierzulande an Einrichtungen wie Wilhelma, Europapark oder Disneyland denke, kommt mir das irgendwie bekannt vor.
Im Allgemeinen beginnt der zweite Teil des Rodeos dann mit dem Wildkuhmelken.
Nicht zu verwechseln mit dem Melken unbedarfter Touristen, ein Schelm, wer jetzt Böses dabei denkt.
Es folgt ein Wildpferderennen, bei dem sich 6 Teilnehmer auf 6 ungesattelte, unzugerittene Wildpferde schwingen, die nur ein provisorisches Kopfstück aus Hanfseil haben. Dann gibt es da noch das sogenannte Chuck Wagon Race, bei dem durchaus nicht nur Küchenwagen mitfahren, sondern auch Kutschen und andere abenteuerlich aussehende Wagen.
Zum Schluss treten noch die sogenannten Trickreiter auf, also vertraglich verpflichtete Reiter, die ihr eigenes Programm von Kunststücken vorführen, die allerdings nichts mehr mit dem eigentlichen Rodeo zu tun haben.
Sie dienen allgemein nur noch als Rodeo-Ausklang.
In den Staaten finden heute alljährlich knapp siebenhundert Rodeos statt. Fast hunderttausend Besucher pro Veranstaltung sorgen dort für einen Mindestumsatz von 40 Dollar pro Person. Kein Wunder also, dass zahllose Rodeofunktionäre, Vereinigungen und Kommissionen damit beschäftigt sind, diesen Männerspaß vergangener Jahrhunderte in immer engere Regeln zu pressen.
Ins Moderne übersetzt, wäre diese Thematik nicht auch mal ein Fall für Jerry Cotton?
Wir und die Rodeokönigin könnte meiner Meinung nach durchaus die Symbiose zwischen Western und Krimi lauten.
Quellen:
- Textmaterial aus dem Fundus des unvergessenen H. J. Stammel
- www.grandnationalrodeo.com
- www.artnet.com
In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal.
Euer Slaterman