Westernkurier 02/2007
Auf ein Wort Stranger, wer kennt noch Wounded Knee?
Die Schlacht am Little Bighorn River, Custer, Sitting Bull, Reno, all diese Namen haben sich seit mehr als einem Jahrhundert in den Köpfen der meisten Menschen festgesetzt. Größtenteils einseitig, aus Sicht des weißen Mannes erzählt und bis zum Erbrechen glorifiziert durch Film und Fernsehen. Das weitere Schicksal der Indianer hingegen blieb bis heute relativ unbekannt. Dieses dunkle Kapitel in der Geschichte der Ureinwohner Amerikas, insbesondere das unrühmliche Verhalten der U.S. Army ist auch nicht unbedingt ein Stoff für Heldengeschichten aus der Traumfabrik. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einmal auf die Ereignisse danach und speziell auf den Dezember 1890 hinweisen. Jener Monat, in dem an einem kleinen Fluss namens Chankpe Opi Wakpala, besser bekannt unter dem Namen Wounded Knee, die Freiheit der Indianer ihr symbolisches Ende fand.
Allen folgenden Ereignissen vorausgegangen war die sogenannte Geistertanzbewegung.
Ein indianischer Messias namens Wovoka verbreitete um 1889 eine Lehre, die, abgesehen von einigen andersartigen Ritualen, im Wesentlichen der christlichen Religion glich. Er predigte Gewaltlosigkeit, Nächstenliebe und verlangte von den Indianern lediglich zu tanzen und zu singen. Dann, so weissagte er, werde Gott als Indianer auf die Erde zurückkehren und alles neu und besser machen.
Die letzten Überlebenden der einstmals so stolzen Ureinwohner Amerikas lebten zu diesem Zeitpunkt bereits größtenteils desillusioniert in jämmerlichen Reservaten und kämpften täglich ums nackte Überleben. Viele von ihnen klammerten sich an diese Botschaft und sogen Wovokas Lehren wie ein trockener Schwamm das Wasser in sich auf.
Im November 1890 hatte die Geistertanzbewegung so um sich gegriffen, dass das übrige Leben in den Reservationen fast zum Stillstand kam. Anstatt sich mit den Ursachen auseinanderzusetzen, verfielen die Indianeragenten in Panik, bezeichneten die Tänzer als Verrückte und alarmierten die Armee.
Die Militärführung und anschließend auch das Indian Bureau in Washington reagierte mit dem Fingerspitzengefühl eines Fleischerhundes.
Man bezeichnete sämtliche Anführer der tanzenden Indianer einfach als Unruhestifter, die man in Ketten legen musste. Tage später dann überschlugen sich die Ereignisse und führten in der Folge zum Drama am Wounded Knee.
Am 15. Dezember 1890 erschossen die Indianerpolizisten Bull Head und Red Tomahawk bei Tagesanbruch den noch schlaftrunkenen Sitting Bull vor seiner Blockhütte.
Der Tod des großen Häuptlings verhieß neue Schwierigkeiten. Viele Geistertänzer flohen, einige suchten Unterschlupf bei Big Fotos Miniconjou-Lakota am Cheyenne River.
Colonel Summer, der bisher freundschaftliche Beziehungen zu dem alten, an Tuberkulose erkrankten Krieger unterhielt, befahl Big Foot, die »Fremden« in ihr Dorf zurückzuschaffen. Auch er selbst und seine Leute hätten sich unverzüglich bei der Agentur einzufinden. Big Foot gab Summer zu verstehen, dass es Schwierigkeiten gäbe, diesen Anweisungen nachzukommen. Doch der Colonel war weder bereit, einzulenken noch Vernunft walten zu lassen. Er ließ Truppen aufmarschieren, um seine Anweisungen mit Gewalt durchzusetzen. Die Sioux flüchteten in südlicher Richtung. Sie trieb nichts weiter als die Angst. Sie wollten möglichst viel Raum zwischen sich und die Blauröcke legen und Hilfe bei den »Ghost Dancers« in den Badlands suchen. Doch die hatten ihre natürliche Festung bereits verlassen und waren zum Zeichen der Unterwerfung in Richtung der Agentur gezogen. Am 17. Dezember erteilte das Kriegsministerium die Anweisung, den Minneconjouhäuptling Big Foot und seine Leute festzusetzen. Aufgeschreckt durch die Meldung über den Tod Sitting Bulls versuchte Big Foot indessen, Red Clouds Reservation am Pine Ridge zu erreichen. In der Hoffnung, dass der immer noch sehr einflussreiche Häuptling ihn und seine Gruppe vor dem Zugriff der Soldaten schützen konnte.
Am 28. Dezember jedoch versperrten ihnen vier Kavallerietrupps der Seventh U.S. Cavalry den Weg und zwangen die Indianer in einem Gewaltmarsch zu einem Armeelager am Wounded Knee Creek.
Dort wollte man die Indianer entwaffnen, ihnen die Pferde wegnehmen und sie später mit der Eisenbahn zu einem Militärgefängnis in Omaha bringen.
Schließlich galten sie für die Vereinigten Staaten als Unruhestifter und Gefahrenherd. 230 Frauen und Kinder und 120 zum Teil halb verhungerte Männer. Ihnen gegenüber stand im Vergleich dazu eine Bevölkerungszahl von 63 Millionen Bürger der Vereinigten Staaten.
Es dämmerte bereits, als man das Lager erreichte, und so beschloss die Armeeführung die Entwaffnung der Indianer erst am anderen Morgen anzusetzen. Das Lager wurde mit zwei Kavallerietrupps umstellt und mehrere Hotchkisskanonen wurden in Stellung gebracht.
Mit falschen Versprechungen und einem dürftigen Frühstück wurden die Indianer am Morgen des 29. Dezember in die Lagermitte gelockt. Rücksichtslos durchsuchten die Soldaten die Zelte nach Waffen, als plötzlich Schüsse krachten und das Massaker am Wounded Knee seinen Anfang nahm.
Widersprüchlichen Aussagen zufolge soll ein Indianer namens Black Coyote sein Gewehr trotz mehrmaliger Aufforderung nicht abgegeben haben. Die Soldaten eröffneten das Feuer.
Eine andere These besagte, dass Black Coyote ein Heißsporn war. Als man ihn entwaffnen wollte, habe er sein Gewehr als Erster abgefeuert.
Beide Versionen sind sich aber in einem Punkt einig. Der Indianer Black Coyote war taub.
Jedenfalls eröffneten auch die Kanonen ihr Feuer und fast jede Sekunde zerfetzte eine Granate das Lager, tötete Männer Frauen und Kinder. Als der Kampf vorbei war, verfrachtete man die Überlebenden (vier Männer, siebenundvierzig Frauen und Kinder) auf Wagen und brachte sie zu Red Clouds Pine Ridge Agentur. In Ermangelung einer Unterkunft riss man schließlich die Bänke aus der nahegelegenen Episkopalkirche, streute Heu auf den Boden und brachte die Indianer in die mit Kerzen beleuchtete Kirche. Über der Kanzel war ein Tuch gespannt, auf dem ein paar Worte standen, die einem neutralen Beobachter wie Hohn in den Ohren klingen mussten: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.
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Quellennachweis:
- Dee Brown: Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses
- H.J. Stammel: Der Cowboy von A bis Z
In diesem Sinne
Euer
Slaterman