Die Viecher sind schuld!
Die Sonne scheint mir ins Gesicht, überall ist friedliche Stille, kurz, ein Tag zum Wohlfühlen, wäre da nicht die komische Jacke mit den überlangen Ärmeln, in der ich stecke. Sie fragen, warum? Alles wegen der blöden Viecher!
Es begann damit, dass sich meine Frau einen blauen Nerz wünschte. Schon das Begehren allein verwunderte mich, aber, dass er auch noch blau sein sollte … Um sie zu überraschen, holte ich die Handwerker, als sie mit ihrer Freundin eine Woche im Urlaub war. Ich ließ einen riesigen Käfig bauen und mit allem ausstatten, was so ein Tierchen zum Wohlfühlen braucht. Es gab Baumstämme zum Herumturnen, Bademöglichkeiten und verschiedene Verstecke, je nach Laune des Nerzes. Schon das kostete mich ein kleines Vermögen. Dann ging ich auf die Jagd nach einem blauen Nerz. Nein! Nicht, was Sie denken! Ich recherchierte im Internet nach Züchtern, fand unzählige gruselige Berichte über Massenhaltung und grausame Tötungsmethoden bei der Pelzgewinnung und freute mich, wie gut es der Kleine bei uns haben würde. Na gut, ich gebe ja zu, dass mich die plötzliche Tierliebe meiner Frau etwas wunderte. Schließlich fand ich doch noch einen Züchter für blaue Nerze. Auf meine Bitte, nach einem möglichst kornblumenblauen Tier, weil das die Lieblingsfarbe meiner Frau ist, fragte er mich, ob ich zu tief in die bewusste Flasche geschaut hätte. Ich konnte seinem Wortspiel nicht ganz folgen und muss wohl ziemlich dämlich aus der Wäsche geschaut haben. Nach einer heißen Diskussion, die ich auch nur zur Hälfte begriff, führte er mich völlig entnervt zu seinen Käfigen, um mir den Farbschlag der Felle an lebenden Objekten zu demonstrieren. Womöglich ist ja mein Farbempfinden etwas gestört, ich konnte jedenfalls keine Spur von Blau entdecken. Der gute Mann hätte mich wohl auch lieber erwürgt, als mir eines seiner Tiere zu verkaufen. Er rückte es jedenfalls erst heraus, als ich ihm die Bilder des neu gebauten Nerz-Domizils zeigte. Einen ähnlich mörderischen Blick, wie ihn mir der Züchter zugeworfen hatte, bekam ich an jenem Tag, als meine Frau aus dem Urlaub zurückkam. Dabei hatte ich mir solche Mühe gegeben, den Nerz auf ihr Lieblingsblau umzufärben. Ganze Tüten Lebensmittelfarbe schüttete ich in das Badewasser des Tierchens. Es hat nichts genutzt, schon der erste Regen spülte den Pelz wieder auf diesen eigenartigen Grauton, den ich mich weigerte, als Blau zu bezeichnen.
Meine Frau stand einfach nur da, starrte den Nerz und anschließend mich an. Wären ihre Blicke Messer gewesen, dann hätte ich wohl in einer Blutlache gelegen.
Ein paar Tage später holte der ehemalige Besitzer das Tier wieder ab. Das breite gönnerhafte Grinsen für einen kleinen Idioten sehe ich noch heute vor mir. Dass ich vermutlich einen Denkfehler gemacht hatte, merkte ich am neuen Mantel meiner Frau. Der sah nämlich genau so aus wie das Fell meines kurzzeitigen Pfleglings.
»Das ist ein gerupfter blauer Nerz«, sagte sie mit Nachdruck und ließ mich einfach stehen.
Hä? Wie jetzt? Bisher hatte ich nur von gerupften Gänsen gehört und zitterte davor, dass sie sich auch noch mit fremden Federn schmücken wollte, nachdem den süßen Nerzen das Fell über die Ohren gezogen worden war, nur damit sie einen neuen Mantel tragen konnte. Nach dem Preis hatte ich vorsichtshalber gar nicht gefragt.
Monate später, meine Frau hatte sich inzwischen wieder beruhigt, bestürmte sie mich mit dem Wunsch, einen Jaguar haben zu wollen. Diesmal versuchte ich alles richtig zu machen. Sie nahm mich schließlich sogar auf eine Probefahrt mit. Ich hockte auf dem bequemen Ledersitz wie ein Verdammter im Fegefeuer und versuchte mit den Augen die kleine Figur auf der Motorhaube zu fixieren, damit sich der Brechreiz in Grenzen hielt. Ich hätte nicht einmal sagen können, ob das am Fahrstil meiner Frau lag oder eher daran, dass sie mich permanent zutextete, wovon mir der Schädel schwirrte.
Schon, als sie den Motor anließ, hörte ich sie verzückt flüstern: »Hörst du, wie er schnurrt?«
Auf der Hochgeschwindigkeitsteststrecke jauchzte sie: »Jetzt lässt er all seine Muskeln spielen! Ist das nicht wundervoll?«
»Hm«, machte ich.
Beim Aussteigen ließ sie ihre Fingerspitzen über das silberfarbene Figürchen gleiten. »Genau so einen will ich haben.«
Ich atmete auf. Die ganze Zeit hatte ich befürchtet, sie würde das lebende Tier haben wollen. Zwar bin ich keine geistige Leuchte, aber, dass es das Auto auch als Raubkatze gibt, weiß sogar ich.
Drei Tage später überreichte ich ihr freudestrahlend das schön verpackte Geschenk. Es war nicht ganz leicht und auch nicht gerade preiswert gewesen, die Kühlerfigur aufzutreiben. Meine Gattin zog die Schleife auf, hob den Deckel der Schachtel an, dann ging in ihrem Gesicht die Sonne auf. »Oh, Schatz! Du bist so süß!«
Ha! Wusste ich doch, dass ich diesmal richtig lag!
Da fragte sie auch schon, aus dem Fenster spähend: »Und wo steckt der Rest?«
Mir entgleisten die Gesichtszüge. »Wie? Was? Welcher Rest?«
»Na der große Schwarze, um den es eigentlich geht.«
»Ach, den willst du auch?«, entfuhr es mir völlig verdattert.
»Ja, natürlich! Was soll ich mit diesem Ding hier?«
Völlig zerknirscht begann ich meine Frau zu befragen. »Du willst also tatsächlich den, der schnurrt und seine Muskeln spielen lässt?«
»Selbstverständlich! Und denk daran! Er soll schwarz sein! Ich erwarte ihn in ein paar Tagen in meiner Garage!«
»Bist du ganz sicher, dass du genau den haben möchtest? Kann es nicht auch ein anderer Farbschlag sein?«
»Schwarz, schwarz, schwarz!« Meine Frau drehte mich an den Schultern herum und schob mich aus dem Zimmer.
Ich raufte mir die Haare. Wo und wie sollte ich so schnell fündig werden? Ausgerechnet die schwarze Variante war extrem selten. Zumindest fand ich es erst einmal gut, dass sie ihre Garage zur Verfügung stellte. Der Nerz-Käfig wäre für den Jaguar bestimmt nicht ausbruchsicher gewesen. Nach mehreren schlaflosen Nächten und mit dem Wissen, dass die Frist langsam ablief, die mir meine Gattin gewährt hatte, flog ich schließlich nach Südamerika, um selber nach dem Objekt ihrer Begierde zu suchen. Es war grauenvoll! Der ganze Urwald schien ausschließlich von winzigen Blutsaugern bevölkert zu sein. Schon am ersten Tag zerstachen mich die Moskitos, bis ich kaum noch aus den Augen gucken konnte. Ein paar Eingeborene trugen mich schließlich halbtot auf einer Art Bahre zu ihrem Dorfältesten, dem ich meine Not schilderte, natürlich auch die Sache mit dem Nerz. Der Alte schien sich plötzlich verschluckt zu haben. Jedenfalls traten ihm Tränen in die Augen, er japste nach Luft und presste eine Hand auf seinen Mund. Dann rannte er aus der Hütte. Augenblicke später drang wieherndes Lachen aus unzähligen Männerkehlen an mein Ohr. Keine Ahnung, was man dortzulande an einem Erstickungsanfall so lustig findet. Als sich der Älteste wieder erholt hatte, versprach er, mir zu helfen. Ich sollte inzwischen nachhause fliegen und auf die Ankunft des Jaguars warten.
Zwei Tage nach meiner Rückkehr traf er tatsächlich bei mir zuhause ein. Der Spediteur, der ihn brachte, war ziemlich hässlich. Er hatte eine rote Knollennase, orangefarbene Haare, einen geradezu riesigen Mund und schien frisch eine Schlägerei hinter sich zu haben. Zumindest war die Haut um beide Augen auffallend veilchenblau. Sein Beifahrer kam mir auch irgendwie komisch vor. Er schien, dem Aussehen nach, der Bruder des anderen zu sein. Einziger Unterschied waren die riesigen Schuhe, mit denen er sicher nicht selber Auto fahren konnte. Arme Kerle! Sie brachten den Transportkäfig mit einem Gabelstapler in die Garage. Ich quittierte die Lieferung, erhielt eine schriftliche Pflegeanleitung und schon waren sie vom Hof. Spät abends kam meine Frau vom Stadtbummel zurück.
»Hier stinkt es«, sagte sie kurz und schaute mich prüfend an.
Ich roch an meinem Pullover. »Kann schon sein, ich habe mich vorhin in der Garage mit deinem Jaguar beschäftigt.«
Sie bekam große Augen. »Du hast ihn schon da? Wie liegt er im Verbrauch?«
Ich zückte meinen Zettel. »Vierzig Kilo die Woche und mehrere Liter Wasser am Tag.«
Meiner Frau entgleisten die Gesichtszüge. Sie rannte zur Garage. Ein paar Minuten später kam sie wieder und verpasste mir ein Veilchen, mit dem ich glatt als dritter Bruder der Spediteure durchgegangen wäre, die, wie sie mir giftig erklärte, die beiden Clowns eines Wanderzirkus waren. Na ja, jetzt wo sie es sagte …
Vier Tage später, der Zirkus hatte seine Raubkatze wieder abgeholt und mir eine fünfstellige Rechnung dagelassen, fuhr meine Frau mit ihrem neuen Auto vor.
Mir graute jetzt schon vor ihrem Geburtstag und sämtlichen Wünschen, die sie dafür äußern würde. Es dauerte auch nicht lange, da brachte sie mir diesen Tag ins Gedächtnis.
»Möchtest du etwas Bestimmtes?«, fragte ich vorsichtig.
Sie legte einen Katalog mit Bekleidung und Accessoires auf den Tisch. »Schenk mir einfach so was hier.«
Entsetzt starrte ich sie an. »Du willst ein Krokodil?!«
Zuerst atmete meine Frau tief durch, dann lächelte sie milde. »Ich gehe jetzt meinen Pfau füttern und morgen reden wir weiter.«
»Soll ich dich zum Tierpark fahren?«, fragte ich mit großen Augen.
Sie lachte hellauf. »Schatz, du bist so herrlich naiv.« Mit einem koketten Hüftschwung, eine zarte Duftfahne ihres sündhaft teuren Parfüms hinterlassend, schwebte sie aus der Tür.
Wenigstens wollte sie das Federvieh nur füttern und nicht rupfen. Mich zerfraß trotzdem die Neugier. Nach den Viechereien, die voll in die Hose gegangen waren, interessierte es mich brennend, wo sie den Vogel untergebracht hatte. Also folgte ich kurzerhand ihrem Wagen mit dem Motorrad. Vor einer riesigen Villa hielt sie an, schaute sich kurz um, ehe sie gezielt die Treppe hinauf schritt. Leider konnte ich nicht sehen, wer die Tür öffnete. Obwohl es bereits dämmerte, kam mir die Stille hier etwas verdächtig vor. Pfauen sind ja dafür bekannt, einen weithin hörbaren Ruf auszustoßen. Das wollte ich nun etwas genauer wissen. Auf Zehenspitzen schlich ich um das Haus. Irgendwo im ersten Stock brannte ein flackerndes Licht. Vielleicht wurden dort nachts die Tiere untergebracht, damit sie der Fuchs nicht holte? Flugs kletterte ich auf einen Baum, um einen Blick durch das Fenster zu werfen. Was ich vor die Augen bekam, schockierte mich zutiefst. Meine Frau vergnügte sich nackt in eindeutiger Pose mit einem Mann. Irgendwie hatte das schon was mit Vögeln zu tun, nur nicht mit solchen, die Flügel haben. Verblüfft schaute ich dem äußerst kreativen Treiben der beiden zu, wobei ich völlig die Zeit vergaß.
Dann traf mich das erste Mal im Leben der Schock einer Erkenntnis – meine Frau hatte die Kamasutra-Stellung »den Pfau füttern« gemeint. Wild entschlossen, dem Spuk ein jähes Ende zu machen, sprang ich mit einem irren Schrei vom Baum, dessen Höhe ich im Wahn völlig unterschätzt hatte. Mein Kampfgebrüll ging nahtlos in Schmerzgewimmer über. Aufgeschreckte Nachbarn holten einen Krankenwagen.
Seitdem bin ich hier, stecke in dieser seltsamen Jacke und sehe Viecher am liebsten gebraten auf meinem Teller.
Copyright © 2013 by Reni Dammrich