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Brasada – Folge 11

Wenn die Ciboleros reiten

Die Büffeljäger kommen von Osten her über das Land und zügeln ihre Pferde auf einer Hügelkette.

Es sind harte Männer mit langen, pechschwarzen Haaren und dunkelbrauner, verbrannter Haut, weil sie ständig Sonne, Wind und Staub ausgesetzt sind. Ihre Kleidung besteht aus Pferdedecken, Büffelfell und bunten indianischen Tüchern.

Sie selber nennen sich Ciboleros und sie leben von der Büffeljagd. Es sind viele Mexikaner unter ihnen, einige Halbindianer und nur ganz wenige Weiße, aber dennoch sind es Männer, die im ganzen Land geachtet werden. Im Gegensatz zu den weißen Büffelschlächtern auf den Plains nämlich, die aus sicherer Entfernung die Tiere mit ihren schweren Sharps-Büchsen gleich reihenweise zur Strecke bringen, lehnen die Ciboleros Feuerwaffen ab und jagen die Büffel nur mit Lanzen und Messern.

Deshalb ist jeder von ihnen auch so stolz darauf, zur Gilde der Ciboleros zu gehören.

Ihre Gesichter beginnen zu glühen, als sie sich im Sattel vorbeugen.

Endlich kommt die Herde näher.

Die Luft ist plötzlich voller Staub, der sich wie eine zweite Haut auf die Männer legt. Die Ciboleros spüren bis in die Sättel hinein, wie der Boden unter den Hufen ihrer Pferde zu vibrieren beginnt. Kurze Zeit später wälzt sich die riesige Herde heran. Das Land verschwindet unter unzähligen, braunen Leibern, die sich schwerfällig vorwärtsbewegen. Ein scharfer, beißender Geruch erfüllt die Luft und dann scheint das Panhandle nur noch aus graubraunen Tierrücken, zottigem Fell und riesigen, kantigen Büffelschädeln zu bestehen.

Die Männer lenken ihre Pferde auf die Herde zu und bringen sie mit wilden Schreien und dem Knallen von Peitschen zum Rennen. Je schneller die Tiere laufen, umso enger rückt die Herde zusammen. Das ist dann der Moment, in dem die Ciboleros angreifen.

Neben den Büffeln herjagend versuchen die Männer, den Tieren mit ihrer Lanze durch die Rippen hindurch in die Lunge zu stechen. Diese Lanzen sind sechs bis acht Fuß lang und ihre Spitze ist aus einem alten Bajonett, einer Feile oder einem Häutemesser gemacht. Die Ciboleros bevorzugen eigentlich Jungtiere und Kühe, weil deren Fleisch zarter ist und diese Tiere leichter zu töten sind, aber einer aus ihrer Mitte will sich aus irgendwelchen Gründen dennoch mit einem Bullen messen.

Dieser Mann ist jung, hager und seine Augen funkeln wild wie schwarzer Obsidian.

Der Büffel aber, den er sich ausgesucht hat, ist ein alter, erfahrener Bulle mit einem moosbesetzten Fell und einem spitzen, gebogenen Hörnerpaar auf dem riesigen Schädel.

Dieses Tier macht plötzlich eine Drehung und schlitzt mit seinen Hörnern den Leib des angreifenden Pferdes auf. Wie mit einem scharfen Messer wird die Haut vom Hals den Bauch entlang bis zu den Hinterbeinen aufgerissen und mitten im Galopp quellen die Eingeweide des Tieres in dampfenden Haufen aus dem Pferd heraus.

Das Pferd strauchelt, knickt mit den Vorderbeinen ein und der Reiter wird aus dem Sattel geschleudert. Der Mann kracht zu Boden und dann trampeln mindestens ein Dutzend dieser tonnenschweren Büffel über ihn hinweg.

***

Eine Stunde nach Sonnenaufgang kommt ein Reiter auf die Drei Balken zu, der fast gänzlich in eine bunte Indianerdecke gehüllt ist.

Lee Marlowe erkennt Benito Hernandez, den Anführer der Ciboleros von Tascosa.

Als er im Hof sein Pferd zügelt und die weite Decke auseinander schlägt, kann Lee sehen, dass er einen Jungen in seinen Armen hält. Der nackte Oberkörper ist mit blauroten Blutergüssen, Kratzern und Rissen übersät und am Kopf hat er eine klaffende Wunde, auf deren Grund man den weißen Schädelknochen sehen kann. Alles ist voller Blut und dennoch klingt Benitos Stimme ziemlich gefasst, als er spricht.

»Kann ich für meinen Sohn einen Schluck Wasser bekommen?«

Lee Marlowe nickt und nimmt dem Cibolero den Verletzten ab, während dieser aus dem Sattel gleitet.

»Was ist passiert?«

Der Cibolero zuckt mit den Schultern. »Der Junge ist selber schuld. Was muss er sich auch mit dem erfahrensten Bullen der ganzen Herde anlegen? Eigentlich hätte ich ihn liegen lassen sollen, aber verdammt noch mal, er ist mein Sohn.«

»Was willst du jetzt tun?«

»Ich werde ihn in die Stadt zu Doktor Hoyt bringen, und wenn er in spätestens zwei Wochen nicht wieder mitarbeitet, trete ich beiden in den Arsch. Dem Doktor, weil er es trotz meines sauer verdienten Geldes nicht geschafft hat, den Jungen gesund zu machen, und meinem Sohn, weil er so dumm war, als Unerfahrenster aus unserer Gruppe es gleich mit dem ältesten Bullen zu versuchen.«

»So einfach ist das nicht, die Wunde am Kopf ist ziemlich tief.«

Benito schüttelt den Kopf. »Doktor Hoyt wird das schon richten. Danach wird der Junge drei Tage lang Hiusache-Tee trinken und ein paar Chiltipiquines kauen und so schnell wieder auf die Beine kommen.«

Lee Marlowe trägt den etwa fünfzehnjährigen Jungen ins Haus. Der Büffeljäger versorgt zunächst sein Pferd und folgt erst dann dem Cowboy. Als er den einfach eingerichteten Küchenraum der Drei Balken dann betritt, sitzt dort sein Sohn am Tisch, während ihm Big Bill den Inhalt eines Zinnbechers einflößt. Der Junge ist bei Bewusstsein, hat die Augen offen und schluckt dankbar das Gebräu, welches ihm der riesenhafte Cowboy zum Trinken gibt.

»Diese Brühe besteht nur aus Fleisch, Knochen und wilden Zwiebeln und hat drei Tage lang auf dem Feuer gekocht. Es gibt nichts Nahrhafteres und Wärmenderes für einen Mann um diese Jahreszeit«, erklärt Big Bill. »Du wirst sehen, auch dein Junge kommt dadurch schnell wieder auf die Beine.«

Benito Hernandez deutet auf die schlimme Kopfwunde seines Sohnes. »Das glaube ich, aber dennoch sollte der Arzt einen Blick auf die Wunde werfen, sie ist ziemlich tief.«

Er nimmt einen Kaffee aus Ben Allisons Hand entgegen. Als er den leeren Becher auf den Tisch zurückstellt, nickt er den Männern dankbar zu. Seinem Sohn sind inzwischen wieder die Augen zugefallen.

»Danke für den Kaffee und die Brühe. Wenn der Junge wieder mit uns reiten kann, wird er euch das Fell des ersten Büffels, den er erlegt, vor die Türe legen.«

Dann nimmt er den Jungen wieder in seine Arme, schlingt die Decke um seine Schultern und geht hinaus. Kopfschüttelnd sieht ihm Big Bill nach.

»Er wird den Jungen umbringen, wenn er mit ihm in diesem Zustand weiter reitet. Wir sollten ihn davon überzeugen, dass es für seinen Sohn besser ist, wenn sie hier auf den Doc warten.«

»Wenn die Ciboleros reiten, gibt es keine Macht auf der Welt, die sie davon abhalten kann«, widerspricht Lee Marlowe. »Außerdem denke ich, dass die Wunde nur äußerlich so schlimm ist. Hatte der Junge nicht die Augen offen und uns zugenickt, als er von der Brühe getrunken hat? Ich denke mal, der Cibolero weiß schon, was nötig ist oder getan werden muss.«

***

»Wir sollten uns demnächst nach einem vierten Mann umsehen.«

Überrascht blicken Lee und Bill auf und starren Ben Allison verständnislos an. Zu sehr sind sie noch mit dem Schicksal des jungen Ciboleros beschäftigt, deshalb trifft sie Bens Aussage völlig unvorbereitet.

»Wie kommst du jetzt darauf?«, will Big Bill wissen.

Ben Allison deutet auf die Eingangstür.

»Der Junge hat mich darauf gebracht. Spätestens in drei Wochen ist es wieder so weit, dass wir hinausreiten können. Schon das letzte Mal hat es sich gelohnt, und weil in Fort Bascom immer noch Rinder gebraucht werden, sollten wir diesmal die Sache überlegter angehen. Dazu brauchen wir einen Mann mehr, frisches Blut sozusagen.«

»Ein weiterer Mann bedeutet zwangsläufig nicht mehr Rinder, aber er bedeutet mehr Kosten. Wir sollten uns das genau überlegen«, gibt Lee zu bedenken.

»Yeah!«, sagt Bill Baker. »Was soll das Gerede von einem neuen Mann eigentlich? Hat uns der Gewinn vom letzten Viehauftrieb nicht ein Ranchhaus aus soliden Holzbalken, einen gebrauchten Farmwagen und eine volle Speisekammer beschert? Okay, statt das restliche Geld den Mädels im Sechzehn Arschbackenhaus zwischen die Möpse zu stecken, hätten wir es ebenfalls in die Ranch investieren können, aber ich denke mal, das war der Spaß wert. Außerdem kann ein richtiger Mann die Nächte nicht ständig mit seiner ersten Freundin verbringen.«

»Seiner ersten Freundin?«, fragt Lee irritiert.

Statt einer Antwort beginnt Big Bill zu grinsen und vollführt mit der Rechten eine auf und abwärts gleitende Schüttelbewegung, die unter Männern überall auf der Welt verstanden wird.

»Mabel Faust!«, fügt er überflüssigerweise hinzu.

Der sonst so ernst wirkende weißblonde Texaner Allison beginnt nun ebenfalls zu grinsen.

»Trotzdem müsst ihr zugeben, dass ein weiterer Mann uns einige überflüssige Arbeiten abnehmen kann. Die Zeit, die wir mit Kochen, Pferde satteln und ähnlichen Dingen verbringen, reicht aus, um weitere zehn Rinder einzufangen. Zehn Rinder aber bedeuten in Fort Bascom 240 Dollar zusätzlich, ein neuer Mann kostet uns pro Monat dreißig Dollar, ein Ranchboy höchstens fünfzehn. So müsst ihr das Ganze sehen, wir sind schließlich seit letztem Jahr unter die Viehzüchter gegangen. Und wenn wir nicht gewinnorientiert weiterarbeiten, kann unser Traum von der Ranch wieder ziemlich schnell platzen.«

»Was zur Hölle ist mit dir los, bist du jetzt auch unter die profitgierigen Pfeffersäcke aus dem Norden gegangen, die den Dollar über ein Menschenleben stellen?«, will Bill ärgerlich wissen.

Ben schüttelt den Kopf. »Das gerade nicht, Amigo. Andererseits will ich auch nicht unbedingt ständig von der Hand in den Mund leben, auch als Small-Rancher, wie wir es sind, hat man nun mal so seine Pläne.«

»Genau so ist es«, bestätigt Lee. »Wir werden alle nicht jünger. Und wenn ihr ehrlich seid, betrachtet doch jeder von uns diese Ranch als eine Art Altersversorgung. Was also ist schlecht an dem Gedanken sich zu überlegen, wie man mehr Geld verdienen kann, und sei es nur, um es noch einen Tag länger im Sechzehn Arschbackenhaus auszuhalten?«

Jetzt nickt auch Big Bill. »Verdammt, ihr habt recht, Jungs. Von dieser Seite aus habe ich das Ganze noch gar nicht betrachtet.«

Während er jetzt auf den Herd zugeht, um Kaffeewasser aufzusetzen, schüttelt er den Kopf.

»Heavens, was könnte mir da nur alles entgehen? Wenn ich alleine an die Nächte mit der roten Kathy denke oder an Breitarsch-Lauras Fingerfertigkeiten. Mann, was würde ich nicht alles verpassen und das nur, weil ich nicht auf euch hören wollte?«

Ben und Lee beginnen zu grinsen.

Nicht nur weil sie Männer sind, sondern weil sie ähnliche Vorstellungen über das Leben haben wie eben ihr Sattelpartner Big Bill.

***

Als Ben Allison viele Tage später an einem Morgen die Augen aufschlägt, geschieht das nicht nur, weil er eine volle Blase hat, sondern auch deshalb, weil er der Meinung ist, irgendetwas gehört zu haben.

Während er sich aus seinen Decken schält, grunzen, schnarchen und furzen neben ihm seine Sattelpartner im Schlafraum. Es riecht nach Käsefüßen, Schweiß und ungewaschenen Kleidern, ganz so, wie es eben in einem Dreimännerhaushalt riecht, wo die ordnende Hand einer Frau fehlt.

Ben richtet sich auf, schlägt die Decken gänzlich zurück und steigt mühsam aus dem Bett.

Verschlafen sieht er sich um.

Verdammt, denkt er, wenn ich nicht gleich meine Stiefel finde, muss ich barfuß über den Hof, ansonsten mache ich mir noch in die Hose. Da aber, wie schon erwähnt, die ordnende Hand einer Frau in diesem Männerhaushalt fehlt, liegen seine Stiefel irgendwo unter dem Bett und der Druck in seiner Blase wird immer stärker. Deshalb rennt er nun in Socken aus dem Haus.

Lieber auf einen Kaktus treten, als in die Hose zu machen, denkt er sich noch, als er an der Türschwelle über etwas stolpert. Weil aber jener Drang inzwischen übergroß geworden ist, nimmt er das Ding, über welches er gestolpert ist, erst in Augenschein, nachdem er sich erleichtert hat.

Dieses Ding entpuppt sich als ein frisches Fell, welches jemand gerade einem Büffel abgezogen hat.

Der Cibolero hat tatsächlich Wort gehalten, durchzuckt es Ben.

Dann huscht er vorsichtig in sein Bett zurück. Auch wenn er jetzt ein Small-Rancher ist und auf jeden Dollar achten muss, morgens um halb vier braucht selbst ein angehender Viehzüchter nicht unbedingt auf den Beinen sein.

Copyright © 2010 by Kendall Kane