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Interview mit Alfred Wallon

Geisterspiegel: Hallo Alfred, es ist wieder einmal die Zeit gekommen, um mit dir über einige neue Themen in deinem schriftstellerischen Schaffen zu sprechen.
Es ist seit dem Erscheinen von Die Dollarwölfe von Abilene als Band Nr. 41 in der Reihe US Western des Kelter Verlages sehr viel Zeit ins Land gegangen. Wo steht der Autor Alfred Wallon heute?

Alfred Wallon: Genauer gesagt werden es im Dezember 2011 genau 30 Jahre, seit Die Dollarwölfe von Abilene erschienen sind. Eine lange Zeit, in der sich viel getan hat. Ich stehe heute fest auf zwei Beinen, bildlich gesprochen, und ich habe mir einen Namen im Genre historischer Western gemacht – jenseits der Heftromane.

Geisterspiegel: Worin besteht für dich das Faszinierende an dem Genre, welchem du dich verschrieben hast?

Alfred Wallon: Es ist ein Genre, in dem man sich als Schriftsteller tummeln kann, ohne dass einem die Ideen ausgehen. In vielen Heftromanen wird die Zeit zwischen 1860 und 1880 beschrieben, und gewisse Strickmuster wiederholen sich. Dabei bietet ein Western solch vielfältige Möglichkeiten wie kaum ein anderes. Man muss sich allerdings auskennen und seine historischen Hausaufgaben machen – und dann kann man Geschichten erzählen, die auch heute noch für ein Publikum interessant sind. Vorausgesetzt, dass man keine Schwarz-Weiß-Malerei betreibt.

Geisterspiegel: Die Plots von Westernromanen spielen zum größten Teil vor der Kulisse der Gründung einer Nation, die im Begriff ist, sich zu etablieren und zu legitimieren. Themen wie Viehtrails, Kämpfe zwischen Indianern und Weißen, Ranchleben oder die Durchsetzung von Recht und Ordnung nehmen unter anderen dabei eine tragende Rolle ein. Was unterscheidet deine Werke von den wenigen »traditionellen« Western, die in Deutschland noch zu haben sind? Und worin liegt gerade der authentische Charakter deiner Plots begründet?

Alfred Wallon: Ich habe kein Interesse daran, über Themen zu schreiben, die man schon unzählige Male verarbeitet hat. Sollte ich es doch tun, dann versuche ich erstens die historischen Hintergründe exakt zu schildern und zweitens die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel zu erzählen. Als Beispiel hier nenne ich das Buch Untergang am Little Big Horn, das im Persimplex Verlag erschienen und in Coproduktion mit dem Schweizer Autor Joshua Pekordi entstanden ist. Dass Custer bei Little Big Horn gefallen ist, weiß – glaube ich jedenfalls – fast jeder Western-Leser. Hier kann man das Rad nicht neu erfinden – aber den Blickwinkel der Geschichte, aus der diese erzählt wird. In diesem Fall ist es die Sichtweise mehrerer Soldaten, die den Feldzug Custers begleiteten und auf ihre Weise erlebt haben. Es gab hierzu auch historische Quellen, die ich genutzt habe, und konnte somit Custer darstellen, wie er es verdient. Nicht als heldenhaften Märtyrer, sondern als arroganten, voreingenommenen und engstirnigen Offizier, der wegen seines Geltungsruhms eine ganze Soldatentruppe in den Tod führte.

Geisterspiegel: Deine Serie Rio Concho reflektiert die Geschichte des amerikanischen Westens aus verschiedenen Blickwinkeln. Sie ist eine episch angelegte Familiensaga, die mit der Besiedlung von Texas beginnt. Eine der Charaktere ist der Vormann Jay Durango, welcher als konföderierten Lieutenant in deiner Reihe Civil War Chronicles vielen Gefahren ins Auge blicken muss. Zufall oder bewusstes Kalkül?

Alfred Wallon: Bewusstes Kalkül – stimmt. Ich plane seit dem ersten Rio Concho-Band Jay Durango eine Vergangenheit zu geben – und die erzählen die Civil War Chronicles. Ich plane, dass Durango nach Ende des Bürgerkrieges nach Texas kommen wird – bis dahin fließt aber noch viel Wasser den Rio Concho entlang. Ich habe aber diese Storyline bereits vor vielen Jahren ausgearbeitet und muss nur noch die entsprechenden Romane dazu schreiben.

Geisterspiegel: 2010 erblickte im Mohlberg Verlag Köln der erste Band der Reihe Pioniere des Westens mit dem Titel Kampf der Giganten das Licht der Welt. Im Juli dieses Jahres folgte der zweite Band Herzdame & Pulverdampf aus der Feder von John F. Beck und Melanie Brosowski.
Wie kam es dazu, dass du den Part des Eröffnungsbandes übernommen hast? Wird es in dieser Serie weitere Bände von dir geben?

Alfred Wallon: Daran ist der Verleger Heinz Mohlberg schuld. Er wollte unbedingt einen Eisenbahnroman von mir haben, und diesen Gefallen habe ich ihm gerne getan. Natürlich war es klar, dass ich dann auch ein besonderes Eisenbahnthema wähle. Nicht die Geschichte der Union Pacific und die der Central Pacific, sondern einen historischen Abschnitt, von dem einige Schriftstellerkollegen meinten, das könnte eine schwierige Sache werden. Wurde es dann aber doch nicht, denn meine Recherchen waren gründlich – und dabei kam eine gute Story heraus. Nämlich die Auseinandersetzungen zwischen der Denver & Rio Grande Railroad und der Atchison, Topeka & Santa Fé Railway in Colorado. Dass diese beiden Eisenbahngesellschaften mit großer Brutalität gegeneinander vorgingen, darüber redet man heute nicht mehr so gern, weil das in der Geschichte beider Firmen ein schwarzer Fleck ist. Für mich war das Grund genug, daraus etwas zu machen.
Weitere Bände in der Reihe Pioniere des Westens plane ich nicht – dazu fehlt mir die Zeit. Ich wollte nur den Anstoß geben, nun sind andere Kollegen dran.

Geisterspiegel: Seit geraumer Zeit bist du viel unterwegs. Wie wichtig ist Public Relation sowie die Kontaktpflege zu den Lesern und deren Meinung zu deinen Werken für dich?

Alfred Wallon: Eigentlich war das alles so gar nicht geplant, dass ich oft unterwegs bin. Aber manchmal ergibt eins das andere, und schon ist man on the road. Lesungen sind für mich ein wichtiger Faktor, denn so kann man sehr schnell eine direkte Resonanz erhalten. Ich war auch im Juni dieses Jahres in der Westernstadt Pullman City Harz anlässlich eines Civil War Weekends, wo sich viele Reenactors und Hobbyisten getroffen haben. Eine bessere Gelegenheit, meine Bürgerkriegsbücher zu präsentieren, gab es nicht.
Public Relation ist das A und O für einen Schriftsteller. Dazu gehören eine eigene Homepage und natürlich auch soziale Netzwerke wie Facebook oder Xing. Ich bin kein Autor, der in seinem stillen Kämmerlein hockt und nichts von der Welt da draußen kennt. Durch meinen Außendienstjob weiß ich, was Verkaufen und Repräsentieren bedeutet – und diesen Wissensvorteil nutze ich sehr oft. Ein Schriftsteller muss außer schreiben auch repräsentieren und dafür sorgen, dass er immer im Gespräch bleibt.

Geisterspiegel: Im Westerngenre hast du dich vom Heftroman verabschiedet. Vergleicht man den Stil deiner Storys aus vergangenen Zeiten mit dem deiner heutigen Scripts, sind von Plot zu Plot Veränderungen des einstigen Heftromanautors zum Autor historischer Romane zu erkennen. War diese Umstellung von heute auf morgen für dich eine Belastung?

Alfred Wallon: Nein. Denn ich habe schon vorher versucht, möglichst ausgefeilte Storys und Themen zu bringen. Die Reihe Western Legenden des Bastei Verlages eröffnete mir zahlreiche Möglichkeiten, die ich auch genutzt habe. Von insgesamt 100 Heften habe ich 18 geschrieben. Natürlich hat ein Heftroman Grenzen, die mit 64 Seiten ausgereizt sind. Hier musste ich die Handlungen deutlich straffen und konnte nicht alles bringen. Bei einem Buch ist es völlig anders, weil der Umfang variabel ist. Die Geschichte wird so erzählt, wie ich es für erforderlich halte, und sie ist fertig, wenn das Wort ENDE kommt. Entweder nach 190 Seiten, nach 250 Seiten oder nach 320 Seiten.

Geisterspiegel: Archetypen der amerikanischen Geschichte – insbesondere der Frontier – wie Jedediah Strong Smith, Meriwether Lewis und William Clark sowie Daniel Boone sind in das Visier deiner schriftstellerischen Aufmerksamkeit geraten. Im Persimplex Verlag Wismar wird es dazu ab Frühjahr 2012 die Reihe Pathfinder geben. Was erwartet dem Leser denn da?

Alfred Wallon: Diese Idee spukt schon lange in meinem Kopf. Ich bin noch heute ein Freund des TV-Vierteilers Die Lederstrumpf-Erzählungen mit Hellmut Lange. Auch wenn das alles historisch nicht korrekt war, so ging von dieser frühen Ära eine Faszination aus, die mich nicht losgelassen hat. Der 2001 verstorbene amerikanische Autor Terry C. Johnston schuf mit seinen Mountain Men-Romanen um Titus Bass Geschichten, wie sie nicht besser sein können. Vor seinem Tod plante er noch eine ganze Buchreihe mit verschiedenen historischen Persönlichkeiten aus dieser Epoche, aber das Schicksal wollte es anders.
Vielleicht kann ich ein wenig dazu beitragen, dass diese Idee nicht ganz in Vergessenheit gerät.

Geisterspiegel: Weitab von deinem eigentlichen Metier gibt es noch weitere Projekte wie Kurzgeschichten oder Regionalkrimis. Wie behältst du dabei den Überblick neben Beruf und Privatleben?

Alfred Wallon: Mein Beruf ist klar strukturiert. Ich bin Mediaberater einer mittelhessischen Wochenzeitung und verkaufe tagsüber im Außendienst Anzeigen und Werbepräsentationen für gewerbliche Kunden. Abends und am Wochenende schreibe ich. Und zwar nach einem festen Zeitplan. Sonst wäre das alles nicht möglich. Das Schreiben beinhaltet 90 % meiner kompletten Freizeitaktivitäten und bildet einen idealen Ausgleich zu meinem Beruf. Weil das Schreiben für mich eine Erholung vom täglichen Stress ist. Dass andere Dinge dabei unter Umständen manchmal zu kurz kommen, ist mir bewusst, aber leider nicht zu ändern.

Geisterspiegel: Wo wirst du in der nächsten Zeit mit deinen Werken anzutreffen sein?

Alfred Wallon: Ich werde in Frankfurt auf der Buchmesse und auf dem BuCon sein – aber nur als Besucher. Im kommenden Frühjahr bin ich natürlich wieder auf der Leipziger Buchmesse und die ganze Zeit am Stand des Persimplex Verlages anzutreffen. Ich plane für das kommende Frühjahr wieder eine Lesung im Lesecafé Wiesbaden und sicher auch in Marburg, sobald mein erster Regionalkrimi Endstation erschienen ist. Vor Kurzem bekam ich eine Anfrage der Western Writers of America. Man fragte mich, ob ich nächstes Jahr im Sommer zur Annual Convention nach Albuquerque / New Mexico komme. Ich könnte dann während der dreitägigen Convention in einem Extra-Programmpunkt auch den historischen Western in Deutschland präsentieren.
Wir reden hier nicht von Fantreffen, sondern von einer Zusammenkunft der besten und erfolgreichsten Westernautoren Amerikas, die in der Presse und im Fernsehen beachtet wird. Über diese Einladung muss ich jetzt ganz gründlich nachdenken …

Geisterspiegel: Lieber Alfred, besten Dank für die Beantwortung unserer Fragen. Wir wünschen dir für deine schriftstellerische Tätigkeit interessante Themen und viele Leser deiner Storys.

Alfred Wallon: Ich bedanke mich ebenfalls für dieses Interview.

Das Interview führte Wolfgang Brandt per E-Mail.

Bildquellen:

Copyright © 2011 by Wolfgang Brandt