Als E-Book erhältlich

Archive

Die Ronneburg

Wer ein wenig Hessen kennt, weiß, dass sich zwischen Taunus und Vogelsberg die Wetterau erstreckt. Doch kennt man auch die Tatsache, dass auf einer der hessischen Burgen über ein Jahrhundert lang Vertriebene, Ausgestoßene, Andersdenkende und Verfolgte friedlich nebeneinander lebten? Aus Frankreich vertriebene Hugenotten, Zigeuner, Juden, Flüchtlinge aus dem Salzburger Land, Herrnhuter Gemeine, Separatisten und Inspirierte suchten und fanden in der Burg und in deren Umfeld Zuflucht sowie vorübergehend ein neues Zuhause.

All dies ist auf der Ronneburg geschehen, die sich majestätisch auf einem steilen Basaltkegel des Fallbachtals unmittelbar am Tor zur Mainebene erhebt.

Vom Tal aus betrachtet, erscheint die Burg als ein wohlbehaltenes Denkmal längst vergangener Zeiten. Lässt man aber den äußeren Torbau hinter sich und geht in Richtung Brunnenhaus, sind rechts und links Spuren des Verfalls sichtbar. Doch wurde und wird sehr viel getan, um die Burg auch für weitere Generationen als beliebtes Ausflugs- und Veranstaltungsziel zu erhalten. Genügend Gründe für mich, um auf diese Burg hinzuweisen und ihr einen Besuch abzustatten.

Geschichte der Burg

Wie viele andere Burgen in der Stauferzeit auch nimmt die Ronneburg zu Beginn des 13. Jahrhunderts als Sicherungsburg eine gewichtige Stellung ein. In der Amtszeit von Gerlach II. von Büdingen erbaut, besaß die Ronneburg einen genau abgegrenzten Sicherungsbereich in den Gerichten Gründau, Selbold und Eckartshausen. Des Weiteren oblag den damaligen Burgherren mit ihren Mannen die Sicherung der in der Nähe vorbeiführenden Reffenstraße, der ältesten Handelsstraße zwischen Frankfurt und Leipzig. Der alte Handelsweg wurde auch Hohe Straße genannt, weil er sich als Höhenweg auf den Mittelgebirgskämmen des hohen Vogelsbergs entlangzog, der im Mittelalter aufgrund seiner Unwirtlichkeit kaum besiedelt und noch von riesigen Buchenwäldern bedeckt war. Von Mönchen in Fulda wurde diese Gegend deshalb in alten Urkunden als Buchonia bezeichnet.

Erstmals 1231 urkundlich erwähnt, gelangt die Burg nach dem Tod von Gerlach von Büdingen im Jahre 1247 in den Besitz von Konrad von Hohenlohe. Sein Nachfahre Gottfried II. von Hohenlohe-Brauneck verkaufte 1313 die Ronneburg an den Erzbischof Peter von Mainz., um die Handelswege zwischen Mainz und Fulda sichern zu können. Zwischen zeitlich verpfändete das Mainzer Erzstift aufgrund chronischen Geldmangels die Burg mehrmals – 1327 an den Ritter Johann von Rockenberg, 1356 an die Herren Ritter Frank und Hartmut von Cronberg sowie 1424 an den Grafen Reinhard von Hanau. Alle Burgherren waren bestrebt, die Verteidigungsfähigkeit der Ronneburg aufrechtzuerhalten und entsprechend weiter zu erhöhen.

Graf Ludwig II. zu Ysenburg-Büdingen, ein Nachkomme des um 1247 nach Büdingen eingeheirateten Edlen Ludwig I., übernahm am 4. Juni 1476 die Burg und verblieb bis zum Aussterben der Linie väterlicherseits im Jahre 1601 in deren Besitz. In dieser Zeit kam es auch in der Grafschaft Büdingen infolge von Krieg und Pest zu Hexenverfolgungen. Einige von den sogenannten Hexen fanden auf der Ronneburg Zuflucht und entgingen der Verfolgung.

Von 1601 bis 1621 befand sich die Burg in den Händen der Birsteiner Linie der Herren zu Ysenburg-Büdingen.

In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges traten zahlreiche Schäden aufgrund von Bränden auf, die erst in den 50er Jahren des 17. Jahrhunderts nach und nach behoben werden konnten.

Von 1656 bis 1672 waren die Grafen Christian-Moritz, Wolfgang-Heinrich und Karl-Ludwig zu Ysenburg-Büdingen, alles Angehörige der Offenbacher Linie, die Burgherren. Diese waren es auch, welche die Burg zu einer Freistätte des Glaubens erklärten und zahlreiche aus Frankreich vertriebene Hugenotten aufnahmen.

Die Burg beherbergte in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts neben rund 300 Juden auch Die Inspirierten mit rund 200 Mitgliedern, welche die größte Gruppe bildete. Als deren Gründer gelten Eberhard Ludwig Gruber und Johann Friedrich Rock, beide aus dem Württembergischen. Es bildeten sich Filialen in Himbach, Eckartshausen, Hüttengesäß, Marienborn und Neuwiedermuß. Im Jahre 1706 kam Bruckmann von Hohenau und trieb Mission in der Umgebung und gründete einige Filialen.

Mit dem Grafen Zinzendorf kam 1736 die Herrnhuter Brüdergemeinde als eine weitere Glaubensgemeinschaft auf die Burg, was nicht gerade zum Frieden in den Gemäuern beitrug. Es muss unglaublich eng gewesen sein, zumal Arbeitsplatz und Wohnung für Hunderte identisch waren, zudem die Räume sowohl als Lager für Rohstoffe und Waren als auch für Andacht, Anbetung und Ritus dienen mussten.

Mit dem Weggang der Glaubensflüchtlinge wurde die Burg entvölkert, im Juli 1870 lebten auf ihr nur noch drei Menschen. Der letzte Bewohner, der Schlossaufseher, starb 1885. Danach stand die Burg vollkommen leer. Wegen Baufälligkeit wurde sie im Juli 1904 geschlossen. Fürst Friedrich Wilhelm zu Ysenburg-Büdingen in Wächtersbach brachte große Geldmittel zur Renovierung auf, und so konnte die Burg zu Pfingsten 1905 neu eröffnet werden.

Im Jahre 2004 verkaufte das Fürstenhaus zu Ysenburg und Büdingen die Ronneburg, das Wahrzeichen des Hügellandes, und Anziehungspunkt für zahlreiche Veranstaltungen – vom Jazz mit Ritterschlag bis zu Ritterspielen und mittelalterlichen Märkten. Neuer Burgherr wurde Freiherr Joachim Benedikt von Herman auf Wain, ein Vetter von Leonille Fürstin zu Ysenburg und Büdingen.

Quellen:

Copyright © 2012 by Wolfgang Brandt