Zamorra Band 998 – Babels Fall
Mein Wiedereinstieg in eine Serie, der ich mit Unterbrechungen seit Jahrzehnten die Treue halte und ein schönes Beispiel dafür, wie schwer es Neueinsteiger haben, sich durch den Zamorra-Kosmos durchzufinden.
Als ich zuletzt reingelesen habe, war im Zusammenhang mit Luzifers Tod gerade die Hölle untergegangen. Ein Vorgang, der auch auf Erden Spuren hinterlassen hat. London ist z. B. wenig später »verschwunden« und es gibt weltweit weitere unerklärliche Vorgänge. Natürlich haben sich die Dämonen nicht samt und sonders ins Nichts aufgelöst. Es gibt traumatisierte Überlebende und vielleicht auch den einen oder anderen Krisengewinnler. Insgesamt aber in meinen Augen eine wirklich coole Idee und die Gelegenheit, alte Zöpfe abzuschneiden (endlich keine Soap-Operas aus den Schwefelklüften mehr, Stygia weg – glorreiche Zeiten). Ob es dabei geblieben ist, kann ich nach Lektüre des Bandes 998 nicht sagen. Ich fürchte jedoch, dass in einem so auf Dualität und Ausgleich ausgelegten Universum, wie es die Welt von Zamorra darstellt, das Pendel der Schicksalswaage gerade nur mächtig ausholt, um zurückzuschwingen und alles wieder einzuebnen. Dafür spricht auch, dass Luzifer nicht spurlos verschwunden ist. Splitter von Tränen des Höllenkaisers sind als schwarzmagische Objekte unbekannter Bestimmung und überall auf der Welt verteilt.
Band 998 jedenfalls ist es deutlich anzumerken, dass das Finale des Zyklus rund um den Untergang der Hölle und das Ende Luzifers kurz bevorsteht. Die roten Fäden diktieren die Handlung.
Da ist zum einen Zamorra, der einen der Tränensplitter Luzifers geborgen hat und nun zu Asmodis Sohn und Milliardär Rob Tendyke bringt. Dieser ist qua Ressourcen und Herkunft als Experte zur Erforschung von Sinn und Zwecke selbiger Relikte prädestiniert. Leider erfahren wir nicht, was das Ergebnis der Untersuchungen ist. Wie hätte Werner gesagt: »Abwarten, Zamorra lesen.«
Denn im Vordergrund des Romans stehen Vorgänge in New York, wo die Silbermonddruiden Gryf ap Llandrysgryf und Teri Rheken Vampiren auf der Spur sind. Was sich zunächst wie ein Routine-Einsatz anlässt, bekommt ungeahnte Weiterungen. In Wirklichkeit läuft dort eine groß angelegte schwarzmagische Operation mit noch unbekanntem Ziel. So hecheln unsere Helden – und mit ihnen auch wir – dem Geschehen immer nur hinterher, können nur versuchen, nachzuvollziehen, was geschieht.
Der Wohnsitz des Bürgermeisters von New York ist plötzlich von einer seltsamen schwarzen und doch leuchtenden Schicht umschlossen. Beim Erforschen der Vorgänge im Inneren des Hauses lassen Gryf und der New Yorker Cop Andy Sipowicz (Zamorra-Lesern schon bekannt) fast ihr Leben in einem Flammenmeer, das direkt der Hölle entsprungen sein könnte. Hinzu kommt ein flammender Dämon, der auf die Eindringlinge Jagd macht.
Schöne Actionszene, übrigens. Man fragt sich als zurückgekehrter Altleser nur, wie aus Gryf dieser hilflose Waschlappen werden konnte. Zwar versagt in dem Haus der zeitlose Sprung (Druiden-Teleportation), was die Flucht vor dem Feuer schwierig macht. Trotzdem: Früher hätte Gryf da doch mehr drauf gehabt, als nur immer wieder erfolglos den Sprung zu versuchen und weiter zu flüchten? Ein bisschen mehr Magie hätte drin sein können und müssen. Die glückliche Flucht aus dem Gebäude gelingt dann erst, als sterbliche Sprengmeister ein Loch in die Hülle des Hauses sprengen und das Teleportieren dadurch wieder funktioniert.
Ein Atemholen bleibt Team Silbermond allerdings verwehrt, denn auch in einem Highway-Tunnel scheint die Hölle oder ein Nachhall von ihr sich für ein paar Stunden eingenistet zu haben. Rat- und machtlos bleibt den Gryf und Freunden nur, die Toten zu betrauern und weiträumige Absperrungen zu veranlassen.
Aber welchen tieferen Zweck verfolgt Howard Cranston, der neue Chef der New Yorker Vampire und Auslöser all der kleinen und großen Desaster, mit alledem? Warum dünnt er die politische Elite der Stadt aus und ist so sehr versessen auf den Posten und die Insignien des Bürgermeisters? Zudem hat er einen Thron errichten lassen: für sich selbst oder für jemand viel Mächtigeren, dessen Rückkehr unmittelbar bevorsteht?
Der Roman heißt sicherlich nicht umsonst Babels Fall, hier wird erneut ein Vorstoß in biblische Dimensionen vorbereitet, ohne den Blick auf das Gesamtgeschehen schon jetzt freizugeben. Meine bei Perry Rhodan bewährte Strategie, kurz vor Ende eines Zyklus einzusteigen, weil die Autoren ca. 2-3 Hefte vorher anfangen, die Informationen zu bündeln und die Handlungsfäden zu verknüpfen, hat hier nicht wirklich funktioniert. Der Autor erklärt nix, stattdessen werden nur Fragen aufgeworfen und wir werden staunend zurückgelassen. Urban Mystery eben 😉 Dennoch oder gerade deswegen habe ich mich von diesem gut geschriebenen und rasant inszenierten Heft blendend unterhalten gefühlt. Außerdem weiß ich ja: Der nächste Band wartet schon auf mich.
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