Tony Tanner – Agent der Weißen Väter – 8.17
Das Komplott der Eisernen – Teil 17
Der Tag war sonnig, der Horizont lag in leichtem Dunst, als sei weit hinten Aquarellfarbe mit einem Schwamm verwischt worden. Die kühle Luft war voller Gerüche nach feuchter Erde, moderndem Laub und nach dem Rauch ferner Gartenfeuer. Die Sonne schraffierte die Felder mit langen Schatten. Wenn man sich an einer windstillen Stelle in ihren blassen Schein stellte, konnte man gerade noch einen Hauch von Wärme auf der Haut erahnen, aber sonst nagte die Kälte und hatte sich zur Bestätigung ihres Anspruchs noch hier und da einen Rest des nächtlichen Raureifs aufbewahrt, der weiß und gezackt an den Halmen hing.
Francine ging schweigend am Arm von Tony Tanner. Manchmal zog sie ihn ein wenig zur Seite, um mit ihren Füßen durch einen Haufen brauner Blätter rascheln zu können wie ein Kind. Ihre roten Stiefel wirbelten kraftvoll durch das welke Laub.
»Schluss mit Sommer und Herbst«, sagte sie plötzlich.
Tony war überrascht, ihre Stimme zu hören. Sie schien eigentlich in Gedanken weit fort gewesen zu sein. Am Anfang ihres Spazierganges hatten sie sich miteinander unterhalten oder eher geplaudert, bis dieser Austausch von Sätzen, Fragen und Antworten schließlich stockte, zäh wurde wie eine gerinnende Flüssigkeit und letztendlich versiegte. Sie hatten keine gemeinsame Wellenlänge gefunden. Oder hatten es vielmehr vermieden, diese gemeinsame Wellenlänge zu nutzen. Trotzdem war das Schweigen nicht peinlich gewesen. Sie konnten ein Zusammensein auch ertragen, ohne zu reden. Und es war einfach schön, neben Francine über die Feldwege zu schlendern und zu schweigen.
»Ja«, bestätigte er, »diese Blätter haben es hinter sich.«
»… haben es hinter sich«, wiederholte Francine leise.
Die Worte eroberten sich eine ganz eigene Bedeutung. Sie verklangen und blieben doch im Raum stehen, flatterten um ihre Köpfe wie ein Schwarm unsichtbarer, nervöser Vögel, deren unhörbares Kreischen in den Poren prickelte.
Getragen von Francines heller Stimme wurden sie zu einer Feststellung oder einer Frage und durchstachen wie eine Nadelspitze die dünne Haut, unter der sich alles Unausgesprochene der letzten Stunde angesammelt hatte wie eine dunkel pulsierende Masse.
Hatten sie beide es hinter sich, fuhr es Tony durch den Kopf. Er war sich dessen sicher gewesen. Nun erkannte er, dass diese Überzeugung nicht wirklich sicher gewesen war, nicht fest, sondern nur starr wie schlechtes Eisen, und dass sie nun keinen Bestand mehr hatte, sondern wie eine morsche Brücke in Stücke zerfiel. Und während er sich dessen bewusst wurde und zugleich Francine an seiner Seite spürte, fragte sich Tony weiter, ob er nicht in Versuchung war, das Vergangene neu aufleben zu lassen, weil er die Zukunft fürchtete, das Vertraute für das Wahre zu halten und das Richtige danach zu beurteilen, welche Mühe es ihm auflud.
Sie hatten bei ihrem Spaziergang einen weiten Bogen geschlagen und befanden sich nun auf dem Rückweg, schon in der Nähe des Hauses. Es gab Tony einen kleinen Stich, als er feststellte, wie gut sich Francine schon in dieser Landschaft auskannte, mit den kleinen Wegen und Pfaden vertraut war und die Stellen kannte, an denen man den Bach überqueren konnte. Sie wusste es besser als er selbst, und für einen Moment war Tony Tanner zornig, weil sie ihm auch dieses wegzunehmen schien – das Gefühl mit einem Stückchen Erde völlig vertraut zu sein, es zu kennen bis hinein in die letzte Ackerkrume, weil sie in seine Heimat eingedrungen war. Sie hatte sein Leben in Trümmer geschlagen, als sie ihn verließ und nun zeigte sie ihm, dass er auch hier ein Fremder geworden war – einer, der an den Kreuzwegen zauderte und der Richtung nicht sicher war.
Die Sonne pinselte ihren Schatten auf den feucht schimmernden Asphalt der schmalen Straße. Es war ein gemeinsamer Schatten – Tony Tanner auf der einen Seite, kantig, schwer und etwas steif und neben ihm Francine mit ihrem leichten Schritt, der ihren Rock schwingen ließ und ihrem langem Haar, das den Rhythmus aufnahm, als wolle sie jeden Moment zu einem Tanz ansetzen. Sie passten nicht zusammen, und doch ergänzten sie sich und bildeten zusammen ein perfektes Bild.
Schwarz und Weiß, dachte Tony. Ihr Schatten müsste eigentlich weiß sein. Er trägt nur Schattenschwarz, weil er alle Welt an der Nase herumführen will – so wie es Francine manchmal Spaß macht. Unter seinem Umhang ist er ganz weiß. Und dann kam er zu der Überzeugung, dass sein eigener Schatten gar nicht schwarz genug sein konnte. So schwarz, dass ihn das Gewicht dieser Farbe eigentlich in den Boden drücken müsste wie eine Pflugschar.
»Worüber denkst du nach?«
Francine beugte sich ein wenig vor, um ihm ins Gesicht sehen zu können. In der Sonne bekam ihr Haar den rötlichen Schimmer, den er so gut kannte.
»Ach, nichts.«
»Mmmhh.«
Sie richtete sich wieder auf und legte einige Trippelschritte ein, um sich Tonys Gang anzugleichen.
»Muss man so finster schauen, wenn man nichts denkt?«
»Das Nichts zu denken, ist die größte Aufgabe der Philosophie, habe ich mir mal sagen lassen«, antwortete Tony und grinste.
»Was wiederum erklärt, warum alle großen Philosophen Männer waren.«
Francine genoss ihren Treffer und wartete mit spöttisch gekräuselten Mundwinkeln auf Tonys Konter. Das war immer so gewesen. Sie konnten, wenn sie wollten, die Stars jeder Party sein. Sie waren amüsanter als jedes Boulevardstück, konnten über jeden Anwesenden gnadenlos herziehen, ohne dass der es überhaupt bemerkte, und eine ganze Gesellschaft unterhalten, ohne den Anschein zu erwecken, sie würden ihre Zuhörer überhaupt registrieren.
Aber der so erwartungsfroh erhoffte Konter blieb diesmal aus. Tony schaute auf die rötlichen Hausdächer, die sich hinter die dunklen Baumskelette eines Wäldchens drückten. Aus den Kaminen stiegen Rauchfäden gerade in die Höhe und zerfaserten schließlich müde in der windstillen Luft. Die Klänge einer menschlichen Ansiedlung drangen zu ihnen – Hundegebell, zuklappende Autotüren, Stimmen. Dies alles war so vertraut wie ein seit Langem genutztes Kleidungsstück. Das war Heimat, das war Zuhause. Man schlüpfte hinein, ohne nachdenken zu müssen, und es passte immer und saß ohne zu kneifen.
Trotzdem konnte Tony Tanner auch in diesem Augenblick nicht ein Gefühl verdrängen, das er ebenfalls schon immer gekannt hatte. Die Befürchtung, dass alles nur Kulisse sein könnte. Der pochende Verdacht, dass die heimelige Wärme nur die Verhüllung einer wirklichen Kälte war, und dass eines Tages jemand – eine Person, die für Tony seit Kinderzeiten nie ein Gesicht gehabt hatte – kommen könnte und ihm dieses Leben wegnehmen. Es war nicht etwa der Tod. Es war jemand, der ihm den Namen wegnahm und damit alle Gewissheiten, die Tony Tanner mit sich selbst verband.
Damit stürzten seine Gedanken zurück zu der jungen Frau an seiner Seite. Vielleicht war sie ja diese gefürchtete fremde Person. Francine hatte ihm sein Leben weggenommen. Alles andere, alles, was sich mit Namen wie Dorkas, Steele, Lucille oder Conte di Saloviva verbinden ließ, war nur eine Folge, ein Effekt von Tonys Abwärtsbewegung, nachdem Francine ihn vom Gipfel hinabgestoßen hatte.
Eine Frage brannte Tony auf der Zunge, seit er angekommen war. Wer war der Vater von Francines Kind? Er befeuchtete sich die trockenen Lippen. Möglicherweise war es nur diese eine Frage, die den Rückweg versperrte. Tony empfand keine Eifersucht. Er hatte diese Hölle hinter sich gelassen und war ausgebrannt aus ihr hervorgekrochen. Er musste diese Frage nur stellen und ihre Antwort abwarten. Fast schien es, als hätte er nun eine Automatik entdeckt, den goldenen Knopf, der ihn – oder sie beide – zurück an die Spitze brachte.
»Haben wir es hinter uns?«, fragte Francine plötzlich. Ihre Stimme war sehr hell und dünn, ein blecherner, schriller Ton mischte sich in ihren Klang.
»Keine Ahnung«, gab Tony zurück.
»Immerhin!«
»Immerhin was?«
»Du hättest auch Ja antworten können«, sagte Francine. Drängte sie sich tatsächlich näher an Tony oder glaubte er es nur? Wollte er es vielleicht sogar glauben?
»Hätte ich.«
»Hättest du.«
»Hab ich aber nicht.«
»Hast du nicht. Und das gibt mir etwas … Hoffnung.«
»Oh, es ist also an der Zeit, die Beziehungskiste aufzumachen?«, fragte Tony. Der Hohn klang in seinen eigenen Ohren falsch und hässlich. Sie hatte den ersten Schritt getan, zu dem er zu feige gewesen war.
»Vielleicht hilft es uns beiden.«
»Wenn du so sehr an uns beide denkst, hättest du nicht mit einem anderen Kerl vögeln brauchen«, platzte es aus Tony Tanner heraus, mit einem kleinen Knall, schmerzend, als hätte sich eine Eiterbeule geöffnet. »Du hast mich verlassen«, schleuderte er hinterher. Er sprach viel lauter als notwendig.
»Vielleicht habe ich ja nur die Konsequenzen gezogen.«
»Ach, jetzt bin ich wohl schuld? Hab ich dir den Kerl ins Bett geschickt und gesagt Nun macht mal, lasst es so richtig krachen, schenkt dem Vaterland einen neuen Bürger?«
»Tony, bitte. So kommen wir doch nicht weiter!«
Francines freie Hand legte sich auf Tonys Arm und drückte ihn, presste zu fest, um beruhigend zu wirken, viel zu fest. Als müsste sie testen, dass unter der Kleidung überhaupt ein Mann steckte.
Klar kommen wir nicht weiter, dachte Tony Tanner wütend. Aber es hat gut getan. Und wohin sollen wir überhaupt weiterkommen? Wohin? Und sie ist jetzt wieder die Überlegene. Dieses Weib gibt mir einen Tritt in den Arsch und lässt mich sitzen und nun gibt sie mir einen Tritt, damit ich zurückkomme. Verdammt …
»Pass auf, Francine«, sagte Tony, »warum nimmst du dir nicht einen von den Hechten oder Karpfen oder was weiß ich, die schon an deiner Angel zappeln, und lässt mich in Ruhe? Such dir den fettesten Brocken raus, dann hast du ausgesorgt.«
»Danke für den Ratschlag, Hochwürden. Und du meinst, das würde ich so einfach machen – die Jahressteuererklärung her, die Bonitätsprüfung von der Bank und dann kann er mich haben?«
»Warum nicht? Der weibliche Urtrieb nach Sicherheit und einem schützenden Heim, verbunden mit der überlegenen femininen Rationalität.«
»Du hältst mich also für berechnend, besitzgierig, kalt und gefühllos?«
»Ich halte dich für eine Frau, darin ist alles andere enthalten.« Francine stieß ein kurzes freudloses Lachen aus. Vor ihrem Mund schwebte ihr Atem als weiße Wolke.
»Kurz zusammengefasst – Frauen sind Schweine. Ja?«
»Man könnte es auch weniger nett sagen, aber die Tendenz stimmt.« Das wollte Tony gar nicht sagen. Es rutschte gegen seinen Willen heraus, nein, er wollte nicht noch mehr Porzellan zerschlagen. Er spürte, dass Francine am ganzen Körper zitterte, wie sie ihren Arm unter dem seinen hervorzog, um eine Distanz zwischen sich und ihm zu bringen. Er hatte es vermasselt, er hatte das schwarze Blut der vergangenen Schmerzen ausgespien und so die Gegenwart verschmutzt.
Mit einer ungeduldigen Bewegung riss sich Francine von ihm los, lief neben ihm, den Kopf gesenkt, rieb sich die Augen und verschränkte dann die Arme. Ihr Schluchzen war unüberhörbar. Ihr Gang hatte alle Harmonie verloren.
»Pass auf, Francine«, brachte Tony heraus, »… ich wollte nicht … es war nicht so gemeint … ich … es tut mir leid!«
Francine hatte ihn überholt, bei jedem ihrer ausholenden Schritte schien sie wie wütend den Rock zur Seite zu treten. Beim Klang von Tonys Stimme wandte sie den Kopf zurück. Sie stolperte und fiel. Francine stolperte und fiel, wie nur eine geschmeidige junge Frau stolpern und fallen kann, die in ihrer frühesten Jugend Ballettunterricht bekommen hatte und diese Fähigkeit nie gänzlich verlor.
Es wäre eine Frage, deren Entscheidung selbst den Göttern des Olymp Furchen auf die glänzenden Stirnen gezogen hätte, ob Francine nun mehr in Tony Tanners Arme fiel oder er sie auffing. Jedenfalls sprang Tony tatsächlich einen Schritt vor, um sie aufzuhalten. Aber Francine wäre in jedem Falle in seine Arme gesunken, selbst wenn er nach hinten gehüpft wäre.
Für einen langen Moment, einen ziemlich sehr langen Moment, fast schon eine kurze Weile, schauten sie sich an. Ihre Gesichter waren sich nahe, die Wolken ihres schneller gewordenen Atems vermischten sich.
»Ich will doch nur dich«, flüsterte Francine stockend. »Nur dich, Tony.«
Ihre Lippen näherten sich, er spürte ihren warmen Atem und dann strich ihre schmale, feste Zunge über seine Lippen, bittend und fordernd zugleich, und ihr Mund presste sich auf seinen. Ihre Hände krallten sich in seine Schultern.
Und dann fasste Tony sie um die Schulter und seine andere Hand fuhr unter ihren Kniekehlen durch. Er hob sie hoch und Francines Hand antwortete, indem sie voller wilder Erregung durch sein Haar wühlte.
Tony ging leicht in die Knie, dann federte er hoch und schleuderte Francine wie ein wertloses Bündel in den Graben, wo sie in einem Laubhaufen, den ein fürsorglicher kommunaler Angestellter dort zur Abholung aufgeschichtet hatte, verschwand.
Dann blieb ihm noch Zeit, selbst über den Graben zu springen, das Auto erwischte ihn um ein Haar und Tony spürte, wie der Außenspiegel noch den lockeren Stoff seiner Jacke berührte.
Er sprang zu kurz, landete halb im Graben und rutschte mit den Schuhen in feuchten Morast.
Zwei, dreimal rutschte er ab, bis er Halt fand und die Böschung hochkam.
Der Wagen machte eine Vollbremsung, geriet auf dem Untergrund ins Schlingern und stand dann ein ganzes Stück entfernt schräg auf der Straße. Die Türen wurden aufgerissen. Tony wurde es fast schlecht. Vier Türen – vier Männer. Und vorne der Weißhaarige, der die linke Hand auf das Wagendach legte und feuerte, bevor Tony überhaupt denken konnte. Der Knall des Abschusses und das böse Heulen der vorbeifliegenden Kugeln gingen ineinander über. An Tonys Seite platzte die Rinde eines Baumes, frisches Holz blitzte hell, Splitter flogen.
Er musste von hier fort. Er konnte Francine nur dadurch schützen, dass er die Angreifer fortlockte. Die Gedanken kamen, als Tony schon aufgesprungen war und gebückt losrannte.
Unter seinen Schritten krachte das Unterholz, er stolperte über einen Ast, musste mit clownesken weiten Schritten das Gleichgewicht wiederfinden und hastete weiter. Er lief schräg in den Wald, wollte in einiger Entfernung an dem Wagen vorbei und weiter zu den Häusern. Dann hatte Francine Gelegenheit ihrerseits zu den Häusern zu fliehen.
Zwischen den Stämmen konnte er erkennen, dass sich drei der Männer an seine Verfolgung begaben. Der Weißhaarige blieb beim Wagen. Sein rechter Arm hing herab, seine Hand war in einen weißen Verband gehüllt. Der andere Arm war erhoben, wie ein Duellant verfolgte der weißhaarige Mann sein Ziel über Kimme und Korn. Er schoss nicht. Zu ungünstig die Entfernung, zu schnell wischte der Schatten des Verfolgten zwischen den Stämmen hindurch. Aber Tony hatte überzogen. Er hatte sich für ausdauernder gehalten, als er war – oder aber der tiefe, blätterraschelnde Waldboden sog ihm die Kraft schneller aus den Muskeln als seine Laufstrecke am Themse-Ufer. Seine Oberschenkel brannten, in seinen Ohren rauschte es.
Er warf sich gegen einen Baumstamm, saugte die kalte Luft ein. Dann lauschte er. Die drei Verfolger hatten sich getrennt. Er konnte sie von beiden Seiten hören. Rechts … das mussten zwei sein. Sie brachen laut raschelnd durch das Unterholz. Links – nur Schritte, Rascheln, Schritte. Schneller, immer näher. Das war der dritte Mann. Er lief über einen Trampelpfad oder einen Wildwechsel und kam schneller voran. Mit zitternden Fingern versuchte Tony, den Knoten seiner Peitsche zu lösen. Das durfte nicht wahr sein! Der Knoten hatte sich verzogen, wollte nicht aufgehen, schlang sich bei jedem weiteren Versuch fester um das Handgelenk.
Keuchend mühte sich Tony ab, wurde von seinem eigenen Atemhauch wie von Nebel eingehüllt. Er schien Stunden mit dieser vergeblichen Mühe zu verschwenden. Die Schritte, das Rascheln seiner Verfolger kamen immer näher, schlossen sich um ihn wie eine zuschnappende Schere. Es gab keinen Ausweg, keine Fluchtmöglichkeit. Tony ging zum Angriff über. Er stieß sich von dem Stamm ab und rannte auf den einzelnen Verfolger zu.
Zuerst hielt sich Tony parallel zu dem Pfad, den der andere benutzte, beschleunigte auf dem leicht abschüssigen Untergrund, bis seine Lunge zu platzen schien, und schlug dann einen Bogen, um hinter den anderen zu kommen. Zu spät erkannte er, dass der Mann nun die Deckung eines Stechpalmengebüschs hatte. Über den schulterhohen stacheligen Blättern sah Tony den Mann, der sein Feind war. Der Andere stieß hechelnd den Atem aus. Auf seiner Stirn schimmerte Schweiß, als er nun anhielt und sich umdrehte, stieg Dampf von seinem Kopf auf. Er hatte seine Pistole in der rechten Hand getragen, nun stellte er sich breitbeinig in Position und fasste die Waffe mit beiden Händen. Er ließ sich Zeit. Er war außer Atem, und er sah sich vom Ilex-Gestrüpp gedeckt. Der Angreifer musste es umrunden und kam ihm dann direkt vor die Mündung. Er brauchte nur zu warten.
Aber Tony Tanner nutzte die Strategie, die jeder Schwächere nutzt, sofern er überleben will und genügend Intellekt besitzt. Mehr Schmerz, weniger Rücksicht auf sich selbst, das eigene Blut vergießen, um den Gegner zu vernichten, Nahkampf, um ihn zu besiegen.
Krachend brach Tony mitten durch das Gestrüpp. Die harten Blätter mit ihren spitzen Nadeln schlugen ihn ins Gesicht, rissen seine Haut auf. Er wollte schreien, bekam keinen Ton heraus, wurde vom eigenen Schwung vorwärts gerissen, wedelte mit den Armen, schlug um sich auf die Blätter, vollführte komische Hopser, um das Gleichgewicht zu halten.
Der Andere sah ihn aus den Augenwinkeln kommen, fuhr herum und feuerte. Er war überrascht und sein Schuss ging irgendwo seitlich in den Wald. Noch einmal nahm er das Ziel auf, hielt Kimme und Korn mitten auf die Brust des heranstürmenden Tony. Der Schussfinger krümmte sich, zwei, drei, vier Schüsse jagten aus der Mündung.
Tony konnte nicht ausweichen, sich nicht verstecken. Immer noch trieb ihn der eigene Schwung nach vorne, die Konsequenz einer einmal getroffenen Entscheidung prügelte ihn vorwärts. Sein Fuß blieb an einem Ast hängen, er kippte nach vorne, hörte einen Schrei und zugleich die Schüsse. Die Projektile sirrten über ihn hinweg, immer im selben Abstand. Tony stolperte vorwärts, zu schnell für den Schützen, um die Differenz auszugleichen. Er feuerte noch einige Male, verfehlte und wurde im nächsten Augenblick von Tony gerammt.
Fortsetzung folgt …