Des Teufels Sohn
I
»Mama, wann besuchen wir wieder einmal die Großmutter?«, fragten die beiden Mädchen Nara und Vara ihre Mutter Lina.
Sie lebten zusammen mit Bork, dem Vater der Mädchen, im Lande Monn. Dort gab es grasreiche Ebenen, einige kleine Seen und wenige, dichte Wälder, und viele Menschen konnten von den Erträgen ihres Viehs und der Äcker leben.
Lina aber war bei ihren Eltern im Lande Kusien, dem Land hinter den Bergen im Osten, geboren und aufgewachsen und besuchte diese öfter mit Mann und Kindern.
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Der See der tausend Freuden
Der heiße Wind der Sahara wehte immer wieder Staubfahnen in die Luft, die das Atmen fast unerträglich machten. Husseins Pferd quälte sich mühsam durch den lockeren Sand. Es trug den fast leeren Wasserschlauch. Hussein zog den Zipfel seines Turbans fester, welcher ihm als Mundschutz diente. Immer wieder blieb er stehen, um die Gegend vor sich aufmerksam zu betrachten. Irgendwo musste der Felsen mit dem geheimen Eingang zum »See der tausend Freuden« ja stecken. Vorausgesetzt es gab ihn wirklich, wie die alten Schriftrollen behaupteten. Manchmal fragte er sich, welcher Teufel ihn geritten hatte, den gefahrvollen Weg allein anzutreten. Der Sturm, der stundenlang mit völlig entfesselter Gewalt wütete, machte nicht nur die Weiterreise für fast einen halben Tag unmöglich, er veränderte auch das Gesicht der Wüste bis zur Unkenntlichkeit. Hussein war sich nicht mehr so sicher, dass er sich auf dem richtigen Pfad befand. Er hätte schon längst den Löwenkopf, einen weißen Sandsteinfelsen, der seinem Namen alle Ehre machte, passieren müssen. Wieder hielt er kurz an, beschattete Weiterlesen
Jokars Unvollendete
I
In Delanien wirkte vor langer Zeit der große Musiker Jokar. Er hatte verschiedene Opern, eine Reihe von Orchesterstücken und auch neun Sinfonien geschrieben, bevor er kurz vor seinem Tode eine zehnte Sinfonie anfing und die ersten beiden Sätze vollendete. Während der Arbeit am dritten Satz aber verstarb er plötzlich und unerwartet.
Jokars zehnte Sinfonie entwickelte über seinen Tod hinaus magische Kraft. Wann immer jemand, der etwas von Musik verstand, sie anhörte, um sie zu vollenden, wurde er taub und blind. Es hieß, nur dann, wenn einmal ein Musiker, der Jokar ebenbürtig sei, diese anhöre, könne er sie auch vollenden.
Galdos, ein talentierter Klavierspieler, wurde etwa zwanzig Jahre nach Jokars Tod zum ersten Hofmusiker des Königs von Delanien Weiterlesen
Elfnapping
Auf der Waldlichtung bildeten sechs Großwölfe einen Halbkreis und fletschten gierig ihre Reißzähne. Speichel tropfte auf trockenes Laub und das gesträubte Fell der Kreaturen ließ eines deutlich erkennen: Sie würden jeden Augenblick zum Angriff übergehen.
Tuurg versuchte, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Nur mit einem Jagdmesser bewaffnet wusste er einfach nicht, wie diese Bestien zu bezwingen waren. Er gehörte zu den Kriegern, die im Clan recht hohes Ansehen genossen, die sich schon in etlichen Kämpfen bewährt hatten, trotz ihrer Jugend. Doch hier stand er einer Übermacht entgegen. Mit üblichen Schlachten hatte diese Situation nichts gemein.
Die Martinsgans
I
Bessi war eine wunderschöne junge Frau. Sie verdrehte überall, wohin sie kam, den Männern den Kopf, obwohl sie dies gar nicht wollte, denn sie liebte ihren Mann, den jungen und hübschen Dorflehrer Monon, über alles und war ihm treu.
Eines Tages, es war um die Zeit, als sich die ersten Blätter an den Bäumen verfärbten, kam ein älterer Mann in Bessis Dorf an und nahm dort Quartier. Bessi und ihre Freundinnen hielten sich just zur selben Zeit, als der Mann den Wirt um ein gutes Abendbrot und ein Bett für die Nacht bat, in der Schankstube auf. Sie waren mit der Wirtin befreundet und wollten besprechen, wie und wann sie am nächsten Tag im Backhaus das Brot für die nächsten Tage backen würden.
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