Oberhessisches Sagenbuch Teil 65
Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873
Der feurige Wiesbaum
In Eschenrod war ein Mann, der hatte nichts von Vater und Mutter ererbt, auch nichts erheiratet, und wurde doch reicher von Tag zu Tag. Man wusste nicht wie. Niemals ging ihm die Brot- und Saatfrucht aus, sein Boden war stets voll. Weil nun das alles nicht richtig war, wie es sein sollte, gaben ihm die Nachbarn auf Schritt und Tritt Achtung. Es war gerade die Kirmes im Ort, der Mann mit Frau und Kindern bei der Musik und sein Haus fest verschlossen. Da entstand ein Auflauf auf der Gasse und der Mann eilte ganz bestürzt unter die Menge. Diese Weiterlesen
Hannikel – 8. Teil
Christian Friedrich Wittich
Hannikel
oder die Räuber- und Mörderbande, welche in Sulz am Neckar in Verhaft genommen und daselbst am 17. Juli 1787 justifiziert wurde
Verlag Jacob Friderich Heerbrandt, Tübingen, 1787
Weil nun Hannikel und Wenzel in dem Verhör über den von ihnen verübten und eingestandenen Mittelbronner Einbruch und Diebstahl, jener sieben Bürger, als der nach einem Schreiben aus Pfalzburg angegebenen Mitschuldigen und bereits auf das bloß Angeben der Juden unverantwortlich verurteilten mit keiner Silbe gedacht und solche allem Ansehen nach ganz unschuldig justiziert worden waren, so fand man durch Veranlassen des im Ludwigsburger Zuchthaus befindlichen Gauners Schinder-Peterle für nötig, Hannikel und seinen Bruder Wenzel Weiterlesen
Aus dem Wigwam – Awaschank
Karl Knortz
Aus dem Wigwam
Uralte und neue Märchen und Sagen der nordamerikanischen Indianer
Otto Spamer Verlag. Leipzig. 1880
Vierzig Sagen
Mitgeteilt von Chingorikhoor
Awaschank
ine faulere und hässlichere Jungfrau als Awaschank gab es sicherlich nicht auf der ganzen Erde. Sie schielte mit beiden Augen und ihre Nase war so lang und dünn, dass sie wie ein in das Gesicht gesteckter Stock aussah. Ihre Zähne standen weit aus dem schief geschnittenen Mund hervor und ihre Ohren waren so lang, dass sie ihr bis auf die Schultern hingen. Ihre Arme waren nichts als fleischlose Knochen und ihre Beine waren so krumm wie ein straff gespannter Bogen. Wo sie sich nur sehen ließ, wurde sie ausgelacht und verhöhnt. Aber eine Eigenschaft hatte sie, in der ihr niemand gleichkam: Sie konnte außerordentlich schön singen.
Oft saß sie tagelang auf ihrem Lieblingsplatz, einem kleinen Hügel im Wald, und sang. Ihre liebliche Stimme hallte so Weiterlesen
Elbsagen 68
Elbsagen
Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten
Für die Jugend ausgewählt von Prof. Dr. Oskar Ebermann
Verlag Hegel & Schade, Leipzig
69. Der heilige Norbert und die weiße Kutsche
Der heilige Norbert, der dreizehnte unter den Erzbischöfen zu Magdeburg, war in seiner Jugend ein leichtsinniger Mensch. Er war in der Nähe des Niederrheins geboren und lebte dort in Saus und Braus, bis ihn einst, als er gerade von einem Zechgelage kam, ein Donnerschlag vom Pferd stürzte. Über eine Stunde lang lag er bewusstlos am Boden, da rief ihn eine Stimme aus der Wetterwolke an und ermahnte ihn, sich zu bessern. Er wachte auf, Weiterlesen