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Sternenlicht-Anthologie

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Sven Spaeter

Des Totengräbers Töchterlein

Allmählich begab sich der Tag zur Ruhe. Hinter den Hügeln verabschiedeten sich die letzten Strahlen der Sonne und bald legte sich samtene Nacht gleich einem Trauerschleier über Felder und Wiesen. In der Stadt verfinsterten sich die Straßen und Gassen. Länger werdende Schatten liebkosten jedes Haus, bis sie finster genug waren, den zwielichtigen Gestalten Schutz zu bieten.

Um diese Zeit verabschiedete sich mein Vater von mir, da er seine Arbeit während der Nacht ausübte. Tagsüber würde er nur die Leute stören, die den ewigen Garten aufsuchten. Sie wollten in Ruhe um ihre Verstorbenen trauern und nicht einem Totengräber beim Ausheben Weiterlesen

Romantisches Dinner

So, wie sie hier vor mir sitzt, wie sie sich bewegt, mit mir redet. Alles an ihr liebe ich. Sie ist wunderschön, verführerisch, einzigartig. In ihr kann ich versinken, mit ihren Worten möchte ich schweben.

Es ist unser zehntes gemeinsames Essen. Wir treffen uns seit langer Zeit, um zusammen etwas zu unternehmen, aber heute ist der Anlass ein anderer. Ein romantisches Dinner bei Kerzenschein, denn heute werde ich ihr sagen, dass ich sie liebe. Keine Freundschaft mehr. Nein, Liebe. Ich weiß, dass sie ähnlich empfindet, weiß es aus tiefstem Herzen. Andeutungen hatte es gegeben, immer wieder. Eine leichte Berührung hier, ein gehauchtes Wort dort. Sie liebt mich, das spüre ich.
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Gewitter

Dumpf groll­te in wei­ter Fer­ne der Don­ner ei­nes he­ran­na­hen­den Som­mer­ge­wit­ters. Um die­se Jah­res­zeit wa­ren Un­wet­ter nicht sel­ten, aber was sich da zu­sam­men­ge­braut hat­te, konn­te ei­nem eine re­gel­rech­te Furcht ein­flö­ßen. Die Luft roch nach Ozon, sämt­li­che Tie­re wa­ren verstummt und hat­ten sich ver­kro­chen. Deut­li­che Zei­chen da­für, dass es die­ses Mal nicht an der klei­nen Stadt in Il­li­nois vor­bei­zie­hen wür­de.

Im sonst um die­se Uhr­zeit stil­len Kor­ri­dor des Kran­ken­hau­ses er­zeug­ten Pol­tern und Ru­mo­ren un­heim­li­che Ge­räu­sche, die nicht hier­her ge­hör­ten. Es gab der ge­sam­ten At­mo­sphä­re ei­nen un­heil­vol­len Bei­ge­schmack.

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Der Mann mit dem gelben Koffer

Ei­nes schö­nen Ta­ges er­schien ein un­schein­ba­rer Mann, ge­klei­det in ei­nen höchst lang­wei­li­gen An­zug in der Stadt. Au­ßer ei­nem gro­ßen gel­ben Kof­fer trug er nichts bei sich. Zu groß für eine Ak­ten­ta­sche, zu klein als Rei­se­ge­päck. Sein schüt­te­res Haar um­gab den blan­ken Schä­del gleich ei­nem Kranz aus stau­bi­gem Stroh. Auf der Nase des Man­nes saß eine di­cke, schwar­ze Horn­bril­le, die längst schon aus der Mode ge­kom­men war. Der Mund war so schmal­lip­pig, dass es stän­dig aus­sah, als wür­de er sich ge­wal­tig an­stren­gen, ganz gleich, was er ge­ra­de tat.

Der Mann zog in ei­nen der schö­nen, neu­en Wohn­blocks. Teu­er wa­ren die Woh­nun­gen in die­sen Ge­bäu­den. Viel zu teu­er für arme Men­schen, aber der frem­de Mann ver­füg­te schein­bar Weiterlesen