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Karl Simrock

Deutsche Märchen Nr. 1

Karl Simrock
Deutsche Märchen
Verlag der J. G. Cottaschen Buchhandlung, Leipzig, 1864

1. Die Ordnung der Natur

Ein Mann und eine Frau wohnten in einer armseligen Hütte. Der Mann ging jeden Tag aufs Feld, die Frau blieb zu Hause und kochte. Eines Tages, nach dem Frühstück, sagte der Mann zu der Frau: »Du hast es doch recht bequem, wenn du kochst, während ich mich auf dem Feld abrackern muss.«

»Sollen wir tauschen?«, fragte die Frau, »ich will aufs Feld gehen, und du kannst zu Hause bleiben und kochen.«

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Adventskalender 2021 – 18. Türchen

Die fünf Träume
Aus: Deutsche Märchen von Karl Simrock, Stuttgart, 1864

Kaiser Karl ritt eines Tages auf die Jagd mit großem Gefolge. Da brachte er einen Hirsch auf, legte ihm nach und der Hirsch lief so schnell, dass ihn der Kaiser nicht einholen konnte. Zuletzt verlor er ihn ganz aus dem Blick. Wie er sich nun wieder nach seinen Gefährten umschaute, waren die so weit zurückgeblieben, dass er nichts mehr von ihnen hörte, noch sah. Ermüdet trat er bei sinkender Nacht in ein einsames Haus im Wald.

Da lagen vier Räuber um den Herd ausgestreckt und stellten sich, als hätte der Gast sie aus tiefem Schlaf gestört und wollten sich nun ihre Träume erzählen.
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Adventskalender 2021 – 17. Türchen

Text und Glosse
Aus: Deutsche Märchen von Karl Simrock, Stuttgart, 1864

Ein reicher Müller im Bayernland schickte seinen Sohn auf die Hochschule zu Ingolstadt, die Rechte zu studieren. Das währte drei Jahre und kostete dem Müller ein rundes Sümmchen Geld. Dafür dachte er aber: Wird mein Sohn auch was Nützliches gelernt haben?

Als er nun wieder nach Hause kam, beschwerte sich der Alte über das viele Geld, das der Herr Sohn verstudiert habe. Gleichwohl sagte er: »Gäbe ich mich gerne zufrieden, wenn ich wüsste, dass es wohl angelegt wäre. Zeige mir einmal deine Bücher her.«

Da trug der Student ein schweres Buch herbei, das der Codex hieß. Darin war die Schrift in Weiterlesen

Adventskalender 2021 – 16. Türchen

Der verwünschte Esel
Aus: Deutsche Märchen von Karl Simrock, Stuttgart, 1864

Es war einmal ein junger Taugenichts, der steckte aller Teufeleien voll und hatte sein Leben nichts getan als was Gott und alle Rechtschaffenen verdross. Zuletzt durfte er sich unter den ehrlichen Leuten nicht mehr sehen lassen und nahm sich vor, unter die Spitzbuben zu gehen.

Da lief er in den Wald zu einer Räuberbande und sagte, er hätte auch ihre Profession gelernt, sie sollten ihn unter sich aufnehmen. Sie sagten Ja, er müsste aber erst sein Probestück machen.
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Adventskalender 2021 – 15. Türchen

Das Königskind
Aus: Deutsche Märchen von Karl Simrock, Stuttgart, 1864

Einem Soldaten träumte, er sollte seinen Abschied nehmen, so würde er sein Glück machen. Da ging er zu seinem Haupt­mann und begehrte seinen Abschied. Der redete ihm aber zu, noch zu bleiben, versprach, ihn avancieren zu lassen und machte ihn auch gleich zum Gefreiten. Der Soldat ließ sich bereden; in der Nacht träumte ihm aber wieder, er sollte seinen Abschied begehren, sonst könnte er sein Glück nicht finden. Er gingt also wieder zum Hauptmann und drang auf seinen Abschied. Der Hauptmann sagte aber, er solle doch ja bleiben, er könne es noch bis zum General bringen, und machte ihn auch gleich zum Korporal. Noch einmal ließ er sich beschwatzen. Als ihm aber in der Nacht wieder träumte, er Weiterlesen