Deutsche Märchen und Sagen 80
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
94. Reissenstein
Auf dem Reissenstein oder Riesenstein wohnte ehedem ein gewaltiger Riese. Der wollte sich eine Burg bauen und rief am Ende eine Anzahl Werkleute zusammen, denen er befahl, oben auf dem Berg ein Schloss aufzurichten. Als das Werk fast vollendet war und nur der letzte Nagel am obersten Fenster noch fehlte, die Werkleute aber zaghaft dastanden, indem diese Arbeit eine gar gefährliche war, da fasste der Riese plötzlich einen der Knechte beim Kragen und hielt ihn vor das Fenster.
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Deutsche Märchen und Sagen 79
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
93. Die weiße Riesenfrau zu Kortryk
Zu Kortryk wohnte ein Gerber, das war ein gar wollüstiger Mensch und der konnte trinken trotz dem besten Schulmeister. Eines Tages kam er nachts zwischen zwölf und eins aus der Schenke und wollte nach Hause gehen. Auf dem Weg hörte er plötzlich Tritte hinter sich und als er sich umsah, bemerkte er eine weiß gekleidete Frau, die in einiger Entfernung hinter ihm kam. Da dachte er, er wolle die Frau mit sich nehmen und ihre Gunst genießen, und ging langsamer, damit sie ihn bald einholen könne. Dabei sah er sich öfters um, ob sie noch nicht bei ihm Weiterlesen
Deutsche Märchen und Sagen 78
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
90. Sankta Orilla
Auf der Burg, welche zur Mittagsseite der Stadt Lindau im See neben der Schiffbrücke und dem Gerätehaus liegt, ruht der Leib einer heiligen Jungfrau, Sankta Orilla oder Aurelia genannt. So geht die gemeine Sage. Die soll zu einer Zeit der Durchächtung in einem Schritt von Fußach, welches Dorf, jenseits des Sees auf eine Meile Abstand gelegen, davon den Namen empfing, bis nach Lindau auf gemeldete Burg geschritten sein. Man zeigt ihr Grab noch heute.
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Deutsche Märchen und Sagen 77
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
85. Der Wasserteufel und die sieben weißen Gespenster
Zwischen Zwevezeele und Lichtervelde liegen unfern der Muzebank die Trümmer eines alten Schlosses. Ein gewisser Chirurg kam spät abends einmal in die Gegend, und nahe dem Bach, von dem man sich viel erzählt, rief er: »Wasserteufel, komm heraus!«
Da rauschte es plötzlich im Wasser und es sprang jemand heraus und ans Ufer. Der Chirurg nahm sich aber nicht die Zeit, näher zuzuschauen, wer das war, sondern lief, so schnell er konnte, dem nahen Lichtervelde zu.
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