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Unbekannt

Adventskalender 2024 – 14. Türchen

Das Rosmarinsträuchlein

Es war einmal ein König und eine Königin, die hatten kein Kind, wünschten sich aber eins. Wie nun die Königin eines Tages im Garten lustwandelte, sah sie einen Rosmarinstrauch, der viele kleine Schösslinge hatte. Da seufzte sie und sprach: »Ach, der Rosmarinstrauch hat seine Sprossen, und ich, die Königin, habe kein Kind.«

Von der Zeit an wurde sie guter Hoffnung, und wie ihre Zeit kam, gebar sie ein Rosmarinsträuchlein. Dieses pflanzte sie in ein Töpflein, begoss es mit Milch und ließ es nimmer aus den Augen.

Einst besuchte sie ihr Neffe, das war der Sohn des Königs von Spanien. Wie der das Sträuchlein sah, fragte er: »Frau Königin, was ist es doch mit diesem Rosmarinsträuchlein?«

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Adventskalender 2024 – 13. Türchen

Die weiße Zwiebel

Ein reicher Vater, Herr vieler Güter, war am Sterben. In der letzten Stunde rief er seinen einzigen Sohn, den er über alles geliebt hatte, und sprach mit fester Stimme: »Mein teurer Sohn, mit mir geht es zu Ende. Alles, was ich besessen habe, gehört jetzt dir. Genieße es in Frieden. Ich warne dich: Hüte dich vor der weißen Zwiebel.«

So starb er.

Der Jüngling hatte viele Freunde und wanderte oft mit ihnen durch die Straßen. Auf diesem Gang erblickte er eines Tages einen Bauern, der einen mit Zwiebeln beladenen Esel vor sich hertrieb. Kaum hatte er die Zwiebeln gesehen, dachte er an die Warnung seines Vaters und rannte ohne zu zögern davon. Die Freunde blieben verwundert zurück und wussten nicht, wie sie sich die Sache deuten sollten. Das Gleiche passierte noch einmal mit anderen Gefährten. Weiterlesen

Adventskalender 2024 – 8. Türchen

Die verheiratete Meermaid

Ein Märchen der Shetland-Inseln

An einem schönen Sommerabend ging ein Einwoh­ner von Unst auf dem sandigen Rand einer Voe spa­zieren. Der Mond hatte sich erhoben, und er sah bei dessen Licht eine Menge Unterirdischer, die eifrig auf dem weichen Sand tanzten. Neben ihnen lagen mehrere Seehundfelle auf der Erde.

Als der Mann sich den Tänzern näherte, hörten sie alle plötzlich auf und eilten schnell wie der Blitz, ihre Gewänder in Sicherheit zu bringen; dann sich anklei­dend, sprangen sie als Seehunde in die See. Da nun der Shetländer die Stelle betrat, wo sie gewesen waren, und die Augen auf den Boden richtete, bemerkte er, dass sie eins von den Fellen, das gerade vor seinen Füßen lag, zurückgelassen hatten. Er ergriff es, trug es schnell fort und brachte es in Weiterlesen

Adventskalender 2024 – 7. Türchen

Gagliuso

Ein neapolitanisches Märchen

Es war einmal in der Stadt Neapel ein alter, ar­mer Mann. Er war so elend, so runzlig, so eingeschrumpft und hatte nicht einen einzigen Lumpen, seine Blöße zu bedecken, sodass er umherging nackt wie eine Fliege.

Da er nun nahe daran war, die Säcke dieses Lebens abzuschütteln, so rief er seine Söhne, Oratiello und Pippo, und sagte zu ihnen: »Ich werde jetzt vor den Rechnungsführer gerufen, um die Schuld, die die Na­tur an mich zu fordern hat, zu bezahlen, und glaubt mir, wenn ihr Christen seid, dass es mir großes Ver­gnügen machen würde, diesen Elendshaufen, diese Wehschlucht zu verlassen, ließe ich euch nicht zurück, ein paar erbärmlicher Gesellen, so dick wie St. Clara auf den fünf Straßen von Melito, ohne einen einzigen Stich an euch, so rein wie ein Weiterlesen

Adventskalender 2024 – 6. Türchen

Der Schmaus der Zwerge

Ein norwegisches Märchen

In Norwegen, nicht weit von Trondheim, lebte ein mächtiger Mann, der mit jeglichem Gute gesegnet war. Ein Teil des Landes umher gehörte ihm; zahlreiche Herden grasten auf seinen Weiden, und eine große Dienerschaft schmückte sein Haus. Er hatte eine einzige Tochter, Aslog. Der Ruf ihrer Schönheit war weit umher verbreitet. Die Vornehmsten des Landes bewar­ben sich um sie, aber ohne Erfolg, und wer hoffnungs­voll und freudig gekommen war, ritt traurig und schwei­gend wieder fort. Ihr Vater, der da glaubte, dass seine Tochter das nur täte, um eine kluge Wahl zu treffen, mischte sich nicht ein und freute sich über ihre Ein­sicht.

Als aber zuletzt die Edelsten und Reichsten umsonst ihr Glück bei ihr versucht hatten, so gut wie die Übrigen, Weiterlesen