Happy Birthday!
»Wisst ihr eigentlich, was für einen Tag wir heute haben?«
Claire, Markus und Dan drehten sich unvermittelt um und starrten Ken ungläubig an.
Der Anblick eines Hundes mit fünf Beinen hätte die Freunde wohl nicht überraschter aussehen lassen können.
»Was soll das denn jetzt?«, brummte Dan ungehalten. »Hast du keine anderen Sorgen?«
Auch Claire zuckte mit den Achseln und starrte Ken verständnislos an.
»Dan hat recht, irgendwie kann ich dir gerade auch nicht so ganz folgen. Was willst du uns damit sagen?«
Als Ken erkannte, dass seine Begeisterung für den heutigen Tag bei den anderen auf taube Ohren stieß, war er sichtlich enttäuscht. Insgeheim hatte er nämlich besonders von Dan etwas mehr Anteilnahme erwartet.
»Vergesst es!«, erwiderte der Japaner auf das Unverständnis und wandte den Kopf mit einer heftigen Bewegung zur Seite, um danach sichtlich eingeschnappt irgendeinen imaginären Punkt im Wald anzustarren. Schlaftrunken richtete sich in ihrer unmittelbaren Nähe eine zierliche Gestalt auf, warf einen kurzen Blick in die Runde und streckte sich nach einem herzhaften Gähnen wieder am Boden aus.
»Psst«, wisperte Claire leise und legte ihre Rechte mit einer sanft anmutenden Geste zärtlich auf Kens Schultern. Dies wiederum veranlasste Dan, dem Japaner einen mehr als finsteren Blick zuzuwerfen. »Sei bitte leise. Viele von den Leuten hier sind am Ende ihrer Kräfte und wollen einfach nur schlafen. Wer weiß, was uns morgen noch alles erwartet.«
»Wenn es sowieso keinen interessiert …«
Claire schüttelte verständnislos den Kopf und starrte Ken eindringlich an.
»Was soll das Gerede? Überleg doch mal, seit unserem ersten Zeitsprung aus Kansas City sind wir von einer Parallelwelt in die andere gestürzt, haben uns mit Ameisen, Außerirdischen und Zombies herumgeschlagen und waren nahe daran gefressen, gefoltert oder erschossen zu werden. Gott sei Dank ist bis auf die Sache mit meinem Arm keiner von uns bisher ernsthaft verletzt worden. In all diesen Welten hatten wir genug damit zu tun zu überleben, daher glaube ich nicht, dass irgendeiner von uns sich noch daran erinnern kann, was für einen Tag wir heute haben. Die Uhren ticken in jeder Welt anders. Was für ein Datum meinst du denn, das von dieser Welt, von unserer Welt oder von der vorangegangenen Welt? Allein schon diese Definition bereitet mir Kopfzerbrechen, ganz zu schweigen davon, dass wir nicht wissen, ob hier und heute Mittwoch, Freitag oder Sonntag ist.«
Resignierend ließ Ken die Schultern hängen und starrte zu Boden. In diesem Moment begann Markus damit, den ausgestreckten Zeigefinger seiner Rechten scheinbar völlig sinnlos nacheinander auf die Fingerkuppen seiner Linken zu tippen, ganz so, als addiere er im Geist irgendwelche Zahlenfolgen. Kurz darauf huschte ein wissendes Lächeln über sein Gesicht.
Mit vorgerücktem Kinn deutete er auf Ken, als er flüsterte: »Warum zum Teufel ist der 30. Oktober so wichtig für dich?«»Woher weißt du …?«
»Hallo«, unterbrach ihn Markus. »Ich bin Physiker, außerdem kann ich rechnen. Also, was ist so besonderes an diesem Tag?«
»Hast du der 30.10. gesagt?«, mischte sich Dan in die Unterhaltung ein, legte sein Gesicht in Falten und schien angestrengt zu überlegen. Kurz darauf knallte er sich mit einem Ausdruck totaler Erleuchtung die flache Hand vor die Stirn. Irritiert flogen die Blicke von Markus und Claire zwischen den beiden Männern hin und her.»Na klar, wie konnte ich diesen Tag auch nur vergessen?«
Der Sportstudent erhob sich, ging auf Ken zu und klatschte ihn ab, wie ein Footballspieler seinen Mannschaftskameraden, weil dieser soeben den tödlichen Pass zum Matchgewinn geschlagen hatte. Die Gesichter von Markus und Claire wurden indes immer nachdenklicher.
»Tja, Leute«, erwiderte der Sportstudent. »Es gibt tatsächlich noch gewisse Dinge zwischen Himmel und Erde, die nur wahre Männer verstehen!«»Na, dann klär uns doch mal auf, du Heldenvater!«, erwiderte Claire schnippisch.
»Das macht am besten Ken, schließlich war er es auch, der sich gerade an diese Geschichte erinnert hat.«»Dann schieß los, Ken. Ich bin echt gespannt, was da für eine Geschichte ans Tageslicht kommt.«
»Seid leise«, mahnte Claire erneut, nachdem sie bei einem raschen Seitenblick festgestellt hatte, dass hier und da einige der Schlafenden kurz den Kopf gehoben hatten und andere sich unruhig hin und her wälzten.»Wir sollten entweder etwas leiser reden oder ein Stück weggehen.«Kurze Zeit später setzten sich die vier Freunde einen Steinwurf vom eigentlichen Lager entfernt unter die weit ausladenden Äste einer gewaltigen Fichte und starrten Ken erwartungsvoll an. Obwohl die Sterne am Himmel nur ein schwaches Licht spendeten, war zu erkennen, dass der Japaner von der Situation jetzt doch etwas überrascht war.»Ihr seid schon seltsame Freunde. Erst interessiert sich keiner für das, worauf ich angespielt habe und jetzt hockt ihr im Dunkeln wie ein paar pubertierende Teenager vor mir und jeder von euch platzt fast vor Neugierde.«
»Dann spann uns nicht länger auf die Folter, sondern fang einfach an zu erzählen«, forderte Claire.
»Wie du willst«, sagte Ken, holte Luft und begann zu reden.
»Ich hasste Reverend McBain. Schon von dem Moment an, als ich ihn zum ersten Mal sah, konnte ich ihn nicht leiden. Den anderen erging es ebenso. Der Kerl war ein echter Kotzbrocken.«
»Moment mal, wer sind die anderen?«, fragte Claire dazwischen.
»Ken, ich und noch zwei andere Jungs aus der Straße«, antwortete der Sportstudent spontan und starrte die Frau irgendwie seltsam an.
»Und warum erzählt Ken dann nur von sich? So wie ich das jetzt mitbekommen habe, spielst du in dieser Geschichte schließlich auch eine Rolle.«»Ken war die Hauptperson bei der ganzen Sache, deshalb wird er uns diese ausschließlich mit seinen Worten erzählen«, fügte Dan hinzu. Claire öffnete schon den Mund zur nächsten Frage, als Dan noch ergänzte: »Hör einfach zu.«
»Könnt ihr jetzt vielleicht mal den Mund halten und Ken weiter erzählen lassen? Mich interessiert die Geschichte nämlich wirklich«, fauchte Markus und starrte die Gruppe ärgerlich an.
Im nächsten Augenblick wurde es mucksmäuschenstill, dann begann der Japaner, die Geschichte jenes 30. Oktober zu erzählen.
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