Blindwütig
Cubby Greenwich kann mit seinem Leben mehr als zufrieden sein. Er ist ein erfolgreicher Bestsellerautor, verheiratet mit einer verständnisvollen, intelligenten Frau und hat einen hochbegabten Sohn. Natürlich fehlt in dieser perfekten Familie auch nicht der obligatorische Hund, in dem sich ungeahnte Fähigkeiten verbergen. Doch die Familienidylle wird abrupt zerstört, als der Literaturkritiker Sherman Waxx Cubbys neuesten Roman verreißt. Eigentlich will Cubby daher Waxx zur Rede stellen, doch Penny Boom sagt: Lass gut sein. Zwar nimmt sich Cubby fest vor, den Ratschlag seine Ehefrau zu beherzigen, doch er lässt es sich nicht nehmen Sherman Waxx bei seinem regelmäßigen Besuch in einem beliebten Restaurant, in dem auch Cubby und seine Familie häufig zu Gast sind, zu beobachten. Dabei kommt es in der Toilette zu einer unangenehmen Begegnung, an deren Ende Sherman Waxx nur ein Wort sagt: Verdammnis. Fortan entwickelt sich das Leben von Cubby und seiner Familie zu einem einzigen Albtraum. Zuerst werden Penny und Cubby eines Nachts von Sherman Waxx mit einem Elektroschocker gequält, dann explodiert ihr Haus und plötzlich befinden sich der Schriftsteller und seine Familie auf der Flucht vor dem unberechenbaren Psychopathen. Der scheint beinahe allwissend zu sein und über dämonische Kräfte zu verfügen. Die Wahrheit ist jedoch um ein Vielfaches erschreckender …
Hat man sich als Autor erst einmal einen guten Ruf erarbeitet und zig Mal die Bestsellerlisten erobert kann man mit Fug und Recht behaupten es geschafft zu haben. Doch jeder Zenit ist irgendwann überschritten und gerade bei exzessiven Vielschreibern weicht die Qualität dann oft der Quantität. „Blindwütig“ ist dafür leider ein Paradebeispiel, denn obwohl sich der Klappentext wirklich spannend liest, bleibt am Ende die bittere Ernüchterung. Das beginnt bereits mit der stereotypen Charakterisierung der Hauptfiguren, die Koontz von Roman zu Roman lediglich zu variieren scheint. Cubby Greenwich, Penny Boom, der sechsjährige Milo und der Wunderhund Lassie bilden wohl die Wunschvorstellung des Autors von einer amerikanischen Familie. Gerade Hunde haben es Dean Koontz ja angetan, sodass es keinen mehr verwundern dürfte, dass er sie nur allzu oft vermenschlicht oder ihnen übernatürliche Fähigkeiten andichtet. Um sich nicht mit den verängstigten Reaktionen eines gewöhnlichen Sechsjährigen abmühen zu müssen, der normalerweise die Flucht der Familie vor dem Psychopathen behindern würde, hat Koontz aus dem kleinen Milo einen altklugen, hochbegabten Jungen gemacht, der seinen Eltern in puncto Intelligenz haushoch überlegen ist. Klar, dass der kleine Klugscheißer bald nur noch nervt. Ebenso wie die übertrieben gutmenschliche Charakterisierung. Bei Koontz gibt es nur Weiß und Schwarz, Gut und Böse. Grautöne sucht man ebenso vergeblich, wie zwischenmenschliche Konflikte. Obwohl die Familie des Schriftstellers unter Hochstress steht, sind alle so unerträglich verständnisvoll und witzig und schlagfertig, dass die grauenhaften Schilderungen der Untaten von Sherman Waxx fast wie eine Erlösung wirken. Hieraus bezieht der Roman auch sein Quäntchen Spannung, denn teuflische Bluttaten kann Koontz immer noch eindrucksvoll in Szene setzen, auch wenn er es im Fall des vorliegenden Buches nur sehr sparsam getan hat. Dafür verliert der Roman im letzten Drittel jeglichen Bezug zur Realität und langweilt den Leser nicht nur mit einem haarsträubenden Motiv des Antagonisten, sondern auch durch eine völlig absurde Deus ex machina, mit der Koontz seine Heile-Welt-Stimmung aufrechterhält. Wer auf das schlichte, aber irgendwie verstörende Cover und den vielversprechenden Klappentext hereinfällt, könnte schnell enttäuscht werden.
Fazit:
Das konnte Koontz früher deutlich besser. Schematische Bösewichter jagen stereotype Gutmenschen bis zum haarsträubenden Finale. Ein sechsjähriges Genie und sein Wunderhund machen das Buch schließlich endgültig zur Farce.
Copyright © 2012 by Florian Hilleberg
Dean Koontz
Blindwütig
Relentless, USA 2009
Heyne-Verlag, München
Juli 2012
Taschenbuch, Horror
432 Seiten, 9,99 Euro
ISBN: 9783453436466
Aus dem Amerikanischen
von Marcel Häußler
Titelgestaltung von
Hauptmann und Kompanie