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Das verfehlte Weinen der Branche – Der Mythos »Illegale Downloads«

Hin und wieder besuche ich noch jene Foren, in denen ich einst aktiv war, mich dann aber zurückgezogen habe. Ich schreibe dort nicht mehr, verfolge aber die Debatten.
So kam es, dass ich in einem Hörspiel-Forum auf einen Thread zum Thema illegale Downloads stieß.

Dieses Thema bewegt die Branche schon eine Weile. Vor allem einige weniger erfolgreiche Labels sehen sich stets und ständig als Opfer dubioser Verbrecher, die im Internet kaltblütig illegale Inhalte herunterladen und somit den Unternehmen schwere Verluste beibringen.

Die Forderung nach schweren Strafen wird immer wieder postuliert, einige liegen sich weinend in den Armen, wenn sie wieder einmal über die Sünden jener Illegalen aufregen können. Die Welt ist schlecht, und sie, die Gerechten, leiden unter all dem Abschaum da draußen – Gefängnis, hohe Geldstrafen, Internet-Sperren …
Manche Labelbetreiber entblöden sich nicht, die Schuld an der Einstellung mancher Serien eben diesen illegalen Downloads in die Schuhe zu schieben.
Die Rechnung dieser Kreativen ist dabei meist so simpel wie falsch – jeder Download ist ein potenzieller Verlust.
Andere hingegen sagen, dass die Serie gerettet hätte werden können – wären von den X Downloads stattdessen Y Kopien gekauft worden.

Allein diese Aussage beweist in meinen Augen, dass diese Labelbetreiber im Grunde keine Ahnung von Business haben. Sicher, sie alle wissen, wie man ein Hörspiel produziert. Aber wie man es verkauft, ist ihnen scheinbar nicht klar. Sonst würden sie sich nicht zu solchen Aussagen hinreißen lassen. Nur ein Bruchteil von jenen, die sich Inhalte aus dem Netz laden, würden sich diese Inhalte auch kaufen. Die Zahl dürfte meiner Ansicht nach so gering sein, dass sie nicht ins Gewicht fällt.
Diese geringe Zahl verloren gegangener Einnahmen wird meines Erachtens nach durch den Werbe-Effekt illegaler Downloads wieder ausgeglichen. Aber dazu komme ich gleich.
Bleiben wir kurz bei jenen, die sich verzweifelt ihre realen Verkaufszahlen anschauen und dann mit Wut im Herzen auf die Downloadzahlen einschlägiger Portale blicken, um anschließend ein Milchmädchen zwecks Rechnung herbeizuzitieren.
Hier eine solche Rechnung, wie sie mir bereits in ähnlicher Form untergekommen ist:

500 Verkauften Exemplaren stehen 1500 Downloads entgegen.

Hätte von diesen 1.500 illegalen Downloads nur jeder Dritte eine CD erworben, könnte die Serie fortgeführt werden. Denn 1000 verkaufte Exemplare sind wichtig …

Ich halte mit einer anderen Rechnung dagegen:

Wir haben in Deutschland (sehr grob gerundet) 81 Millionen Einwohner. Oder in Zahlen ausgedrückt: 81.000.000.

Von diesen 81.000.000 Menschen haben 500 Personen eine CD erworben und 1.500 haben sich das Stück illegal aus dem Web geladen.

Das macht unter dem Strich 80.998.000 Menschen, die gar nichts getan haben – weder gekauft, noch geladen.

Um es in aller Klarheit zu sagen – niemand anderes als das Label selbst trägt Schuld an der Einstellung der Serie. Denn die 1.500 Downloads wären völlig irrelevant, hätten die Verantwortlichen jene 500 fehlenden Käufer aus der großen Summe jener 80.998.000 Menschen rekrutieren können. Dem Label ist es nicht gelungen, Kunden zu erreichen; fertig.
Schaut man sich erfolgreiche Serien an, so sind die Zahlen auf beiden Seiten – jene der verkauften Exemplare und jene der illegalen Downloads – vermutlich deutlich größer, ohne aber dass sich die Relationen ändern. Es wird meiner Meinung nach stets mehr illegale Downloads als Verkäufe geben. Nur – stimmt der Umsatz, dann kratzen einen die Illegalen nicht. Diese werden erst dann bemüht, wenn der Umsatz nicht stimmt. Denn sie sind ein wunderbarer Sündenbock. Mit den vorliegenden, aus den illegalen Quellen ersichtlichen Zahlen lässt sich Stimmung machen und vor allem das eigene Unvermögen verschleiern.

Kommen wir nun zum oben bereits angesprochenen Punkt – dem Werbeeffekt illegaler Downloads.
Viel hat sich in den letzten Jahren geändert. Das mag zwar an etlichen Gewerbetreibenden vorbeigegangen zu sein, aber das ändert nichts an der Tatsache.
Konnte man früher Käufer mit guten Bewertungen von Test-Einrichtungen oder durch Rezensionen locken, so sind es heute persönliche Empfehlungen und Meinungen von vernetzten »Freunden«, die Umsatz generieren. Ich habe das Wort Freunde absichtlich in Anführungszeichen gesetzt, denn hierzu zählen auch jene Personen, mit denen man in Sozialen Netzwerken verbunden ist und die dank Facebook ebenfalls Freunde heißen.
Empfehlungen von diesem Personenkreis sind wertvoller als Rezensionen oder Testberichte. Stehen Anschaffungen an, fragt man erst einmal rum – und entscheidet je nach Antworten.
Um aber eine Aussage zu einem Produkt treffen zu können, müssen es möglichst viele Leute kennen. Je weiter ein Produkt – Hörspiel, Musik oder Film – also verbreitet ist, umso besser das Feedback im »Freundeskreis«.
Ein weiterer, wichtiger Punkt ist, dass es heute unzählige Möglichkeiten gibt, Geld für Freizeit jedweder Art auszugeben. Filme, Bücher, Spiele, Musik, Hörbücher, Hörspiele, Freizeitparks, Bowling, Vereine …
Das Budget für solche Vergnüglichkeiten will also so gut wie möglich genutzt werden. Also gibt man lieber Geld für etwas aus, das den »Freunden« gefällt, als sich auf ein Risiko einzulassen.
Wie wichtig solche Propaganda ist, bestätigt eine Studie, die jüngst veröffentlicht wurde und zu dem Ergebnis kommt, dass das Schließen eines großen Download-Portals einen negativen Effekt auf kleinere Filme und kaum einen Effekt auf Blockbuster hatte.

Ein herber Schlag, hatten doch die Verantwortlichen der Filmindustrie chassidische Tänze aufgeführt, als jenes Portal vom Netz genommen wurde.
Natürlich hagelte es sofort Kritik an der Studie, ihr wurde widersprochen – letztlich aber führten die Verantwortlichen in einem Interview mit der SZ klar aus, warum sie an ihren Ergebnissen festhalten und wie es zu ihnen kam.
Somit werden all jene bestätigt, die schon lange auf einen Werbe-Effekt illegaler Downloads hinweisen. Etwas, das kein weinerliches Filmstudio und kein schluchzender Hörspielproduzent jemals hören wollte.
In der Studie wird klar gesagt, dass gerade kleinere Produktionen von eben diesem Effekt profitieren – die Einnahmen gingen seit Schließung des Portals zurück.
Ein ebenfalls nicht zu verachtender Punkt ist die Tatsache, dass man gerade in der heutigen Zeit nicht gerne die Katze im Sack kauft. Viele schauen sich einen Film in schlechter Qualität an, um zu entscheiden, ob sie ihn sich im Kino in voller Pracht anschauen möchten.

Dies lässt sich auch auf Hörspiele umlegen – ich lade mir eine Folge aus dem Netz und entscheide, ob ich sie auf CD kaufe; für mich oder als Geschenk.
Hörproben, die wie Trailer ohnehin keine Aussagekraft besitzen, können dies nicht ersetzen. Schon meine Mutter wusste, dass in Trailern nur die besten Szenen verwendet werden; was man über die gesamte Strecke des Films geboten bekommt, geht daraus nicht hervor.

Unterstützt wird besagte Studie übriges von einer statistischen Erhebung aus England. In ihr wird klar gesagt, dass jene, die sich Inhalte illegal aus dem Netz laden, mehr Geld für Medien ausgeben, als jene, die es nicht tun.

Was am Ende also von all dem Wimmern und Klagen der Branchen bleibt, ist klar – nichts. Mehr noch, diese Studien entreißen den Verantwortlichen das Laken der Unschuld, hinter dem sie sich so gerne verbergen, wenn ihre Produkte scheitern. Es ist eben nicht die Schuld der illegalen Downloads, sondern das eigene, persönliche Unvermögen, Umsatz und Gewinn zu generieren.

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