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Timetraveller – Episode 28

Ungeplante Rückkehr

Spa­ni­en/Ca­talu­ni­en: 19.15 Uhr

Die Schein­wer­fer fra­ßen sich durch den Re­gen­schlei­er. Nur müh­sam be­wäl­tig­ten die Schei­ben­wi­scher die Was­ser­mas­se.

Dan be­fand sich auf der Rück­fahrt von Ca­da­ques zu sei­nem Do­mi­zil in Em­pu­ri­ab­ra­va.

Moch­te der Teu­fel wis­sen, wes­halb er den Weg über die Ber­ge ge­wählt hat­te. Das Un­wet­ter hat­te sich be­reits am Nach­mit­tag an­ge­kün­digt. Pro­fes­sor Geo­rgius hat­te ihn ge­warnt.

»Neh­men Sie die an­de­re Stre­cke. Sie ist zwar wei­ter, aber si­che­rer.«

Dan hat­te sich im Auf­trag des MTRD mit dem Wis­sen­schaft­ler ge­trof­fen. The­o­dor Geo­rgius zähl­te zu den Ka­pa­zi­tä­ten im For­schungs­be­reich Wech­seln­der Ener­gie­fel­der. Es hat­te in der Ver­gan­gen­heit öf­ter mal Punkt­or­tungs­prob­le­me bei den Rei­sen zu Pa­ral­lel­wel­ten ge­ge­ben. Es be­stand die Mög­lich­keit, dass der Hy­per­tun­nel, der vor dem Gli­der auf­ge­baut wur­de, durch sich ab­spal­ten­de Raum-Io­nen ge­stört wur­de, die sich durch den Ener­gie­stau auf­bau­ten. Da­durch konn­te der Ziel­com­pu­ter schon mal ir­ri­tiert wer­den.

Das war nicht wei­ter ge­fähr­lich, denn die Ab­wei­chun­gen glich ein Spe­zi­al­pro­gramm wie­der aus, aber viel­leicht konn­te man die Flü­ge noch si­che­rer ma­chen.

Der Pro­fes­sor ge­hör­te zu den ab­so­lu­ten Ex­per­ten, die im­mer wie­der – auch von der NASA – zu Rate ge­zo­gen wur­den.

Das Tref­fen hat­te un­ter ab­so­lu­ter Ge­heim­hal­tung statt­ge­fun­den, denn kein au­ßen­ste­hen­der Nor­mal­bür­ger wuss­te von den Gli­der­pro­gram­men.

»Ich mel­de mich bei Ih­nen«, hat­te Geo­rgius zum Ab­schied ge­sagt.

Dan te­le­fo­nier­te mit Ken, um ihn über den Stand der Ge­sprä­che zu in­for­mie­ren.

»Okay«, kam es aus dem klei­nen Te­le­fon. »Nimm die nächst­mög­li­che Ma­schi­ne zu­rück.«

»In Ord­nung. Sag mal – wie geht es Fran­ci­ne? Vor mei­ner Ab­rei­se stand sie wie­der mal vor Vic­to­ri­as Grab.«

Ken seufz­te. »Trotz al­ler in­zwi­schen be­stan­de­nen Aben­teu­er … sie wird die­se Frau nie ver­ges­sen.«

Dan biss sich auf die Un­ter­lip­pe. Auch er hat­te Vic­to­ria sehr ge­mocht.

»In Ord­nung«, sag­te er dann. »Ich kom­me mor­gen zu­rück.«

Er be­en­de­te das Ge­spräch.

Die Stra­ße stieg im­mer wei­ter an. Dan muss­te sich ganz auf die en­gen Kur­ven kon­zen­trie­ren. Der Re­gen ließ et­was nach. Da tauch­te hoch oben auf der Berg­kup­pe eine Sil­hou­et­te auf.

Burg San Sal­va­dor de Ver­de­ra.

Dan ver­lang­sam­te und hielt den Wa­gen dann ganz an.

Er öff­ne­te das Fens­ter. Re­gen­trop­fen be­netz­ten sein Ge­sicht. Er blick­te nach oben.

Per­so­nen tauch­ten vor sei­nem geis­ti­gen Auge auf. Gen­evier – der sie da­mals bei der Zeit­rei­se bei­ge­stan­den hat­ten ge­gen die Int­ri­ge San­folds und des Me­ro­win­ger­kö­nigs Chil­de­rich.1

Nun sah er die Burg erst­mals als Ru­i­ne in der Re­al­welt. Trut­zig er­hob sich noch weit sicht­bar der Bo­gen der Kö­nigs­hal­le. Dort, wo einst der Tem­pel mit der gro­ßen Sta­tue der Göt­tin ge­stan­den hat­te, er­hob sich nun das restau­rier­te Klos­ter San Pere de Ro­des.

Dan lausch­te. Mit ei­nem Mal glaub­te er herr­li­chen Ge­sang zu hö­ren. Den Chor der Pries­te­rin­nen. Und ein wei­te­res Ge­sicht tauch­te vor ihm auf. Eine wun­der­schö­ne Ara­be­rin.

She­ra­ze­da!

Ihre letz­ten Wor­te des Ab­schieds dran­gen in sein Ge­dächt­nis.

»Ver­giss mich nicht ganz.«

Ja – er hat­te die­se ho­heits­vol­le, ge­bil­de­te Frau ge­liebt.

Nun war sie be­reits etwa 1600 Jah­re tot.

Dan räus­per­te sich. Der Re­gen nahm wie­der zu. Ent­schlos­sen stieg er in den ge­mie­te­ten Ren­ault.

Lang­sam fuhr er den Berg hi­nauf. Der Him­mel öff­ne­te alle sei­ne Schleu­sen und der Re­gen pras­sel­te wie­der he­rab. Dan sah kei­ne zwei Me­ter mehr.

Da!

Ein Schein­wer­fer­paar schoss auf ihn zu. Dan stieg in die Brem­sen. Haar­scharf schramm­te der ent­ge­gen­kom­men­de Wa­gen an ihm vor­bei.

Der Be­gren­zungs­pfahl.

Dan konn­te nicht ver­hin­dern, dass er mit dem rech­ten Kot­flü­gel da­ge­gen stieß. Auf der nas­sen Fahr­bahn schwenk­te das Heck he­rum. Die An­triebs­rä­der dreh­ten durch. Der Ren­ault neig­te sich und rutsch­te seit­wärts den Gras­hang hi­nab. Dan gab ver­zwei­felt Gas, doch es stell­te sich als sinn­los dar. Mit dem Heck vo­ran rutsch­te das Fahr­zeug wei­ter und wei­ter – bis ein har­ter Ruck es stopp­te. Der Ren­ault war ge­gen ei­nen Fels­bro­cken ge­knallt.

Dan wur­de nach hin­ten in den Sitz ge­presst. Der Mo­tor würg­te ab.

Ein Blitz jag­te über den pech­schwar­zen Him­mel. Dann über­tön­te der Don­ner den Re­gen.

Dan fluch­te wie ein Bier­kut­scher. Müh­sam konn­te er die Tür aufstem­men. Eine Re­gen­flut schoss ihm ent­ge­gen. Der Wa­gen knirsch­te. Er muss­te hier raus, be­vor der Ren­ault wei­ter­rutsch­te.

Auf al­len Vie­ren kam Dan im nas­sen Gras auf. Er at­me­te schwer. Der Hang zeig­te sich glit­schig. Nur auf Hän­den und Fü­ßen gleich­zei­tig konn­te der jun­ge Mann sich wei­ter be­we­gen. Das Was­ser rann ihm in die Au­gen und die Klei­dung trief­te.

Er ver­such­te nach oben zu kom­men. Zu­rück auf die Stra­ße. Da glitt er aus und schlid­der­te auf dem Bauch meh­re­re Me­ter ab­wärts. Als er sich end­lich fing, ver­such­te er auf die Knie zu kom­men. Sei­ne Hän­de er­tas­te­ten ei­nen Stein. Vor­sich­tig zog er sich da­ran hoch. Er fluch­te, als eine Distel ihn in die Hand stach. Man konn­te nichts se­hen in der Fins­ter­nis. Dan griff in die In­nen­ta­sche sei­nes Sak­kos. Er hoff­te, dass er die klei­ne Stab­lam­pe nicht ver­lo­ren hat­te. Da er­tas­te­ten sei­ne klam­men Fin­ger den Kunst­stoff. Er zog die Lam­pe her­vor und schal­te­te sie an. Der dün­ne Strahl husch­te durch die Dun­kel­heit und den Re­gen. Er wan­der­te über das glit­schi­ge Gras und blieb an dem nas­sen Stein hän­gen. Er wirk­te wie ein ab­ge­stürz­ter Fels­bro­cken. Doch dann er­kann­te Dan die Run­dun­gen und ganz matt – bei­na­he von Son­ne und Wind aus­ge­wa­schen – dün­ne Li­ni­en. Nor­mal­er­wei­se wür­de man sie über­se­hen, aber durch die leicht schräg ge­hal­te­ne Lam­pe er­ga­ben sich schwa­che Schat­ten.

Dan robb­te et­was nä­her he­ran. Nun er­kann­te er, dass es sich nicht um will­kür­li­che Li­ni­en han­del­te, son­dern um ara­bi­sche Schrift.

Ara­bisch? Dan schüt­tel­te in der Dun­kel­heit den Kopf. Sein In­te­res­se er­wach­te wie­der ein­mal. Klar – es gab eine Zeit, da hat­ten die Mau­ren wei­te Tei­le Spa­ni­ens er­o­bert. Aber hier?

Er ver­such­te müh­sam die Schrift zu ent­zif­fern. Doch dann schlug sein Herz bis zum Hals.

Him­mel! Konn­te das sein?

Er fuhr sich mit der frei­en nas­sen Hand über das Ge­sicht. Dann las er noch mal. Er kam zu dem­sel­ben Er­geb­nis.

Sein Mund wur­de tro­cken wie die Wüs­te Sa­ha­ra.

»Bin ich ver­rückt?«, mur­mel­te er zu sich selbst. Dann las er noch ein­mal und sei­ne Lip­pen form­ten die Wor­te.

»Hier ruht She­ra­ze­da, die Kämp­fe­rin der Göt­tin Di­a­na – ge­tö­tet durch den Stein des Bö­sen.«

Dan moch­te es nicht glau­ben. Eben hat­te ihn noch die Er­in­ne­rung er­eilt und nun …

Der Grab­stein der Frau, die er einst auf ei­ner Zeit­rei­se ge­trof­fen hat­te.

Ge­tö­tet vom Stein des Bö­sen. Was moch­te das be­deu­ten? Ein Un­fall durch ei­nen he­rab­stür­zen­den Fels? Ein Mord?

Dan setz­te sich ins Gras.

Da sah er etwa fünf Me­ter über sich den Wi­der­schein von Lam­pen. Ein Wa­gen hielt.

Ver­mut­lich war ei­nem spä­ten Au­to­fah­rer der he­raus­ge­ris­se­ne Be­gren­zungs­stein auf­ge­fal­len.

Der Licht­ke­gel ei­ner star­ken Hand­lam­pe wan­der­te über den Hang. Dann rief je­mand et­was in ka­ta­la­ni­scher Spra­che.

»I’m here!«, rief Dan auf Eng­lisch zu­rück.

 

Bar­ce­lo­na – der nächs­te Tag

 

Es hat­te die hal­be Nacht ge­dau­ert, bis die Po­li­zei sei­nen Wa­gen ge­bor­gen hat­te. Dann muss­te er Pro­to­kol­le un­ter­schrei­ben. Erst ge­gen sechs Uhr hat­te ihn ein Strei­fen­wa­gen der Mos­sos de Es­qua­dra vor sei­nem ge­mie­te­ten Haus in Em­pu­ri­ab­ra­va ab­ge­setzt. Dan hat­te so­gleich Ken an­ge­ru­fen.

»Teu­fel, al­ter Jun­ge – da hast du aber Schwein ge­habt!«

»Das kannst du laut sa­gen. Okay – ich du­sche jetzt und dann wer­de ich es wohl schaf­fen, den Flie­ger um elf Uhr zu er­wi­schen. Ich muss in Zü­rich umstei­gen.«

»Gut«, kam es von Ken. »Wir ha­ben eine Mis­si­on. Be­eil dich.«

Dan run­zel­te die Stirn. »Wor­um geht es?«

»Sag ich dir, wenn du hier bist.«

Ge­gen halb zehn stieg Dan in Bar­ce­lo­na aus dem Taxi. Er ging auf die Ein­gangs­hal­le zu. Eben woll­te sich die au­to­ma­ti­sche Tür öff­nen, als er mit ei­ner jun­gen Frau zu­sam­menstieß.

»Par­don«, kam es von der schwarz­haa­ri­gen gro­ßen Frau. Sie strich sich ver­le­gen lä­chelnd eine Haar­sträh­ne aus dem Ge­sicht.

»Kein Prob­lem«, ent­geg­ne­te Dan in Spa­nisch. »Es war mei­ne Schuld.«

Die Frau schüt­tel­te den Kopf. »No, no – ich hät­te auf­pas­sen müs­sen.«

Dan ließ un­auf­fäl­lig den Blick über die schlan­ke Ge­stalt in dem leuch­tend ro­ten Som­mer­kleid glei­ten. Ihre rech­te Hand um­fass­te den Griff ei­nes Roll­kof­fers.

Dan mach­te eine nach vorn zei­gen­de Arm­be­we­gung. Die Tür öff­ne­te sich. »Bit­te – nach Ih­nen.«

»Gra­ci­as.«

In der Hal­le wim­mel­te es trotz der frü­hen Stun­de von Men­schen.

Die Schwarz­haa­ri­ge blieb ste­hen und blick­te dann den jun­gen Ame­ri­ka­ner an.

»Ha­ben Sie noch et­was Zeit? Darf ich Sie ob des Miss­ge­schicks auf ei­nen Kaf­fee ein­la­den?«

Dans Herz hüpf­te et­was. Der Tag be­gann ja nach der lau­si­gen Nacht gut. Er stimm­te zu, be­stand aber da­rauf, dass er sie ein­lud.

Sie gin­gen die we­ni­gen Me­ter zu ei­ner Kaf­fee-Bar.

Dan er­fuhr, dass sie Yvon­ne da Sil­va hieß, Kunst­stu­den­tin sei und nun nach Pa­ris flö­ge.

Nach ei­ner hal­ben Stun­de rutsch­te die jun­ge Frau von dem Bar­ho­cker. »Ich muss lei­der los.«

»Scha­de«, ent­geg­ne­te Dan. Er griff in sei­ne Ja­cken­ta­sche und reich­te Yvon­ne sei­ne Kar­te. »Es könn­te ja mal sein … Ich mei­ne …« Er drucks­te he­rum.

Yvon­ne lach­te glo­cken­hell. »Si – es könn­te sein«, mein­te sie schel­misch. Sie er­griff die Kar­te und ver­schwand in der Men­ge.


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  1. Sie­he: Ti­me­tra­vel­ler Epi­so­de 14, Das Herz der Göt­tin