Timetraveller – Episode 22
Prolog
Nahe San Francisco, 2006
Die Timetraveller saßen erholt in der Kantine und widmeten sich ihren Steaks. Während sie aßen, werteten sie unter sich ihre erste Mission im Auftrag des MTRD aus.
»Der Glider ist schon ein toller Vogel. Ich habe mich immer gefragt, wie die Reisen durch Zeit und Raum funktionieren. Nun habe ich wenigstens eine ungefähre Vorstellung davon, wie wir uns durch den Raum bewegen«, stellte Claire gerade fest. »Wobei … erklären könnte ich es nicht. Jedenfalls niemandem, der es nicht selbst erlebt hat«, schränkte sie daraufhin gleich wieder ein.
»Das stimmt«, räumte auch Dan ein. »Ist schon irre, wie wir uns durch dieses Nichts bewegt haben und doch nicht wissen, was es eigentlich ist.«
»Das ist leider auch der Punkt, den wir so schnell nicht gänzlich werden klären können«, meldete sich Francine.
»Habt ihr es denn schon versucht?«, wollte Dan wissen.
»Die Wissenschaftler arbeiten daran. Momentan benutzen wir den Zeitstrom, um durch die Welten zu reisen und können froh sein, dass unsere Technik dafür ausreichend entwickelt ist …« setzte die Agentin zu einer Erklärung an. »Nun, einige Erkenntnisse können wir schon nutzen, aber …«
»Oh ja, das habe ich gemerkt«, warf Ken grinsend ein. »Besonders, als wir uns dem Ziel näherten …«
»No risk, no fun«, gab Francine lapidar zurück.
Sie plauderten noch eine Weile und genossen das entspannte Zusammensein. Die nächste Reise war erst auf übermorgen festgelegt, da die Techniker den Glider genauestens unter die Lupe nehmen wollten. Insbesondere den Bordcomputer, damit dieser beim nächsten Mal seine Arbeit bis zum Ende der Reise tun konnte.
Claire, Ken und Dan nutzten den freien Tag, um sich von Francine über die bisherigen Forschungsergebnisse des MTRD unterrichten zu lassen und die nächste Reise zu planen. Ziel sollte die Welt 0-0-7 Alpha sein, denn die Sonden hatten für diese Welt ebenfalls eine ähnliche Atmosphäre wie in ihrer Heimatwelt errechnet. Lediglich die Temperaturen lagen etwas höher, was daran liegen konnte, dass auf 0-0-7 Alpha derzeit Sommer war.
Und so starteten die Timetraveller zu ihrem nächsten Ziel und hofften natürlich darauf, dass sie dieses Mal auf Überlebende treffen würden.
Kapitel 1
0-0-7 Alpha, unbekannte Zeit
Sand wehte durch die Straßen von Venedig.
Die Temperaturen lagen weit jenseits der 40 Grad, waren aufgrund der niedrigen Luftfeuchtigkeit dennoch erträglich. Die beiden jungen Männer zogen eine Handkarre hinter sich her und verließen die Stadt in nördlicher Richtung. Der Wagen war leicht, denn die beiden Fässer darauf waren leer. Mario und Luca begaben sich auf die Suche nach Wasser.
Seit Jahren schon waren in Venedig die Wasserquellen versiegt. Die alten Gondeln lagen in den Straßen, Sand und Wind hatten ihnen zugesetzt und das Holz verrotten lassen. Sie waren die letzten Belege, die den ehemaligen Reichtum der Stadt bezeugten. Mit dem Wasser verschwand aber nicht nur eines der wichtigsten Elemente zum Leben, sondern auch der Handel und schließlich die Menschen. In Venedig lebten um diese Zeit nur noch etwa 500 Personen. Eine Geisterstadt, in der dennoch ein Monopol die Vormachtstellung hatte. Die letzten Wasserquellen der Stadt, insgesamt drei Brunnen, befanden sich in der Hand von Giuseppe Sasso und nur er bestimmte den Preis für das kostbare und lebenserhaltende Nass. Einen Preis, den sich Leute wie Mario und Luca nicht leisten konnten …
»Und wenn die alte Sofia sich irrt?«, fragte Luca in das Rattern der Räder ihrer Karre hinein.
»Und wenn schon, es ist doch egal, wo wir verdursten. Ich will es nur nicht tatenlos geschehen lassen«, erwiderte Mario.
»Hm, da hast du auch wieder recht«, stimmte Luca zu. Jeder in seine eigenen Gedanken versunken setzten sie einen Fuß vor den anderen. Der Sand unter ihren Füßen hatte eine rötliche Färbung und war allgegenwärtig. Ein paar hartnäckige Dornenbüsche trotzten der Dürre und spendeten hier und da ein wenig Schatten. Dennoch schien sich der Weg endlos in die Länge zu ziehen, denn sie wussten nicht genau, wo ihr Ziel lag. Die alte Sofia konnte ihnen nur noch wenige Anhaltspunkte geben, wo sie die versteckte Quelle finden würden, denn Sofia lebte schon mehr als 60 Sommer auf dieser Welt und hatte sich seit einigen Jahren in ihre Erinnerungen zurückgezogen. Meist redete sie nur noch wirres Zeug. Das glaubten jedenfalls alle, die ihr zuhörten, aber es war ja auch niemand mehr da, der ihre Erinnerungen teilen konnte. Erinnerungen an grüne Pflanzen, an Kanäle voller Wasser, an Wohlstand und glückliche Kinder. Erinnerungen an eine Zeit, in der niemand Durst und Hunger leiden musste und Kinder älter wurden als die meisten, die seit wenigen Jahren geboren wurden und kaum dem Windelalter entwuchsen, bevor sie elend verdursteten.
Doch Mario und Luca wollten der alten Frau einfach glauben, als sie in letzter Zeit immer wieder von der Oase im Norden sprach. Von dem Berg, der Wasser spie …
Schleppend setzten die beiden Männer ihren Weg fort, als Luca plötzlich die Augen mit der Hand abschirmte und gebannt auf das … Ding … starrte, welches geradewegs aus dem Himmel zu fallen schien.
»Mario … da … du …«, stotterte er und rannte los.
Mario nahm nur noch eine Bewegung wahr, konnte aber nicht erkennen, um was es sich handelte. Sicher spielt uns die Sonne bloß einen Streich, dachte er, griff nach der Karre und folgte seinem Bruder.
Luca war etwa 200 Meter vorausgeeilt, blieb dann aber enttäuscht stehen. Das Ding war nicht mehr zu sehen, doch Luca war sich sicher, dass es ein Auto gewesen war. Auch wenn schon lange keine Autos mehr fuhren, kannte er sie noch aus alten Büchern. In der Nähe des Markusturms stand ein altes Wrack, jedenfalls das, was davon noch übrig war. Mehr als eine verrostete Karosse war es nicht, doch anhand der Form glaubte Luca nun, dass er ein Auto am Himmel gesehen hatte.
Mario hatte Luca unterdessen erreicht und wunderte sich, dass sein Bruder immer noch geistesabwesend in den grellen Himmel hinaufstarrte. Der Lauf kostete Luca Kraft und vor allen Dingen Wasser, denn er schwitze nun. Schweißperlen rannen ihm die Schläfen hinab, was Mario nicht ohne Sorge registrierte. Als älterer der beiden Brüder war er von jeher der Besonnenere, Luca hingegen, 3 Jahre jünger, hatte das Temperament ihrer Mutter geerbt. Das Denken folgte bei ihm meist erst nach dem Tun, deshalb hatte Mario schon früh gelernt, auf seinen kleinen Bruder aufzupassen.
»Luca, bist du verrückt? Du kannst doch nicht …«
»Hey, hast du das gesehen? Das war ein Auto«, fiel der Jüngere ihm ins Wort und wischte sich dabei achtlos den Schweiß von der Stirn.
»Aha, ein Auto, ja? Und das fliegt hier einfach so am Himmel. Spinnst du jetzt völlig?« Mario war ärgerlich, doch irgendwie konnte er seinem Unmut keinen freien Lauf lassen und zwinkerte Luca bei den letzten Worten schon wieder zu. »Aber mal im Ernst, kleiner Bruder, wie soll das denn gehen?«
»Was weiß ich … das Ding, was ich gesehen habe, sah aus wie das verrostete Teil am Markusturm. Glaub mir, ich habe es doch ganz genau gesehen.« Luca nickte bekräftigend und etwas in Mario sagte ihm, dass Luca die Wahrheit sprach. Jedenfalls dahingehend, dass seine Wahrnehmung ihm eben ein Auto vorgegaukelt hatte. Obwohl das unmöglich war …
»Ich glaube dir ja, aber wir müssen weiter, wenn wir in dieser Einöde hier nicht verdursten wollen. Komm …«
»Aber … könnten wir nicht nachsehen …« Luca wollte der Sache auf den Grund gehen, seine Neugier war geweckt. »… es kann doch nicht weit sein. Komm schon, vielleicht sind die genau dort hingeflogen, wo es Wasser gibt. Vielleicht müssen wir gar nicht in den Norden, sondern mehr in nordwestliche Richtung. So genau wusste Sofia das nun auch nicht mehr.«
Mario dachte kurz nach. Luca könnte recht haben.
»Also gut, versuchen wir es in dieser Richtung. Finden wir dort nichts, gehen wir wie geplant weiter in den Norden, abgemacht?«
»Abgemacht!« Mit einem Handabschlag besiegelten sie ihren Plan und gingen weiter. Die Karre zogen sie gemeinsam durch den trockenen Sand.
***
Sie landeten in einer Talsenke. Sand wirbelte auf und legte sich sogleich auf den Glider, der binnen Sekunden eine rötliche Färbung annahm.
»Verdammt«, fluchte Ken. »Bis hierher lief alles glatt und nun frisst sich der Sand in alle Ritzen. Hoffentlich …«
»Keine Panik, unser Donnervogel ist auf solche Eventualitäten vorbereitet«, unterbrach Francine den Japaner. »Um Thunderbird auszuschalten, bedarf es schon mehr als etwas Sand.«
»Etwas?«, fragte Claire ungläubig. »Sagtest du wirklich etwas? Das halte ich doch für sehr untertrieben. Ich fänd es schön, wenn ich außer Sand noch etwas anderes sehen würde.«
»Warte doch erst mal ab, Claire, bis wir dieses Tal verlassen haben. Dann wird es schon noch etwas anderes als Sand geben.« Francines Optimismus war momentan kaum zu überbieten.
Ihr zweiter Flug lief wie am Schnürchen. Als sie den Zeitstrom verließen, hatten zwar alle die Luft angehalten und gebangt, doch der Computer ließ sich dieses Mal nicht beirren, sondern steuerte den Glider mühelos in die den Timetravellern unbekannte Welt.
»Dann lasst uns mal nachschauen, was uns da draußen erwartet«, meldete sich Dan zu Wort. »Also, die Atmosphäre entspricht den Messwerten nach beinahe exakt der unserer guten alten Erde. Die Temperaturen … wow, es wird warm. Sehr warm sogar, etwas über 40 Grad Celsius, dabei eine Luftfeuchtigkeit von gerade mal 30 Prozent, das wird nicht nur heiß, sondern auch sehr trocken.«
»Na prima, da werden wir in unseren Uniformen ganz schön ins Schwitzen kommen«, jammerte Claire, die sich sofort an die Hitze in der Felsenhöhle erinnerte, welche ihnen vor wenigen Tagen als Versteck für den Glider diente.
»Dan, hast du die Trümmer der Zeitmaschine schon geortet?«, fragte Francine, ohne auf Claires Kommentar einzugehen.
»Ich bin dabei, aber die Geräte …«
»Was ist mir den Geräten?« Francines Stimme klang alarmiert.
»Sie zeigen … he, das ist Blödsinn. Die Messwerte ändern sich ständig, da nützen mir die Koordinaten gar nichts.« Dans Finger huschten über die Bedienteile, doch es blieb dabei. Die Anzeige auf dem Gerät war unbrauchbar.
»Dann werden wir uns wohl auf die Suche machen müssen. Weit können die Teile ja nicht sein«, sagte Ken und öffnete die Tür des Gliders. Die anderen taten es ihm nach und stiegen aus.
»Ich will deine Hoffnung ja nicht zunichtemachen, Ken, aber wenn das Ortungsgerät nicht funktioniert, wer sagt dann, dass der Bordcomputer die richtigen Koordinaten erfassen konnte?« Claire war frustriert. Da verlief die Reise so problemlos, und nun standen sie schon wieder vor schier unlösbaren Problemen.
»Komm schon, Claire, nun sieh mal nicht so schwarz. Wir sind gut gelandet, und den Rest dieser Mission werden wir doch schaffen. Bisher gab es keinen Angriff, wir können atmen und uns frei bewegen. Was soll denn schiefgehen?« Ken legte bei diesen Worten tröstend einen Arm um Claires Schulter. Die junge Frau lehnte sich an ihren Freund und glaubte, etwas von seiner Stärke in sich aufzunehmen.
»Also gut, wo fangen wir an?«, fragte sie nun etwas besser gelaunt.
Francine und Dan widmeten sich nochmals den Geräten, konnten aber nichts ausrichten. Die Agentin schaute auf und sagte: »Uns wird ein weiterer Kontakt mit einheimischen Lebensformen nicht erspart bleiben, so es denn welche gibt. Hoffen wir, dass sie uns freundlicher empfangen als auf 2-0-1 Alpha. Lasst uns zuerst eine höhere Lage erreichen, damit wir uns ein Bild machen können.« Claire, Dan und Ken nickten und gemeinsam verließen sie das Tal hangaufwärts.
Der Ausblick war noch trostloser, als Claire befürchtet hatte. Rötlicher Sand, hier und da ein paar trockene Büsche oder kahle Bäume in einer leicht hügeligen Landschaft.
»Meine Güte, wie sollen wir denn in dieser Einöde etwas finden?«, stöhnte sie und ließ ihre Zunge über die schon trockenen Lippen fahren.
»Ja, das wird eine echte Herausforderung«, stimmte Ken zu, der sich von der Umgebung aber noch nicht beeindrucken ließ. »Aber hey, wir haben schon ganz andere Schwierigkeiten überwunden, da werden wir doch hier nicht gleich am Anfang unserer Mission verzagen. Kommt, erkunden wir erst einmal die Umgebung.«
»Halt«, rief Francine dazwischen. »Wir sollten schon gezielt vorgehen, bei dieser Hitze sind unsere Kraftreserven schneller verbraucht als der Liter Wasser, den jeder von uns dabei hat.«
Dan schlug sich vor die Stirn. »Daran habe ich gar nicht gedacht«, musste er zugeben. »Meine Flasche liegt noch im Glider.«
Ken verdrehte die Augen. »Ein echter und erfahrener Weltenreisender, was? Nun mach schon, hol die Flasche, wenn du nicht verdursten willst.«
Francine und Claire nickten Dan ebenfalls zu, denn beide Frauen verspürten schon nach dieser kurzen Zeit großen Durst.
»Wir sollten unseren Wasservorrat auf alle Fälle gut einteilen, da wir nicht einschätzen können, wie lange wir für die Suche brauchen. Also trinkt nicht alles auf einmal aus, auch wenn die Versuchung groß ist.« Claire und Ken nickten der Agentin zu, welche ihren PDA zur Hand genommen hatte und nochmals die Daten überprüfte. Ihre Stirn runzelte sich, als sie sah, dass noch immer keine Ortung der Trümmer möglich war. Die Timetraveller waren also auf die Hilfe einheimischer Lebensformen angewiesen. Doch dazu mussten sie erst einmal welche finden.
Dan kehrte zurück. »Und, wie gehen wir vor?«, fragte er. Francine schaute von ihrem PDA auf und blickte sich um.
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