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Lovecraft Letters 4

Christian Gailus
Lovecraft Letters 4

Horror, E-Book, Bastei Lübbe AG / be-ebooks, Köln, 12. Dezember 2017, 157 Seiten, 1,99 Euro, ISBN: 978-3-7325-5255-9, Cover-Motiv: Timo Wuerz,  Covergestaltung: Thomas Krämer, Altersempfehlung: ab 16 Jahren
www.be-ebooks.de

[…] Ich meine, es gibt Menschen, in deren Umfeld sich verstörende Dinge ereignen. Dinge, die im Zusammenhang mit dem Werk eines Schriftstellers stehen. Das ist das Verbindende. Manche dieser Vorkommnisse erwecken den Eindruck, als hätten sich die Betroffenen an Lovecrafts Geschichten orientiert. Einige Taten sind so monströs, dass
sie nicht einmal mit den hemmungslosen Gewaltorgien gefühlloser Killer in Einklang zu bringen sind. Sie gehen darüber hinaus. Als läge ihr Ursprungs außerhalb unseres Wahrnehmungshorizonts. […]

Wieder zurück aus dem ländlichen Maine holen Ray Berkeley die seltsamen Ereignisse wieder ein, die mit seinem Zusammentreffen mit dem Historiker Henry Coleman ihren Anfang genommen hatten und die mit dem Werk H. P. Lovecrafts im Zusammenhang stehen. Detective Legrasse stellt eine Verbindung zwischen Ray, der ermordeten Staatsanwältin Hattfield und einem toten Mexikaner her, der übel zugerichtet in Tijuana aufgefunden wurde. Unterdessen verliert der Psychologe immer mehr den Boden unter den Füßen. Albträume, Wahnvorstellungen und Phasen animalischer Triebhaftigkeit wechseln sich ab. Seine Ehefrau begegnet ihm außergewöhnlich abweisend und er vermutet eine Affäre, die sich zu bestätigen scheint, als er ihr zu einem Treffen mit seinem Freund und Mentor Ken Sturman folgt. Karen beteuert, ihm mit Kens Unterstützung nur helfen zu wollen, denn auch ihr ist Rays Wesensveränderung nicht verborgen geblieben. Zur Aussprache bleibt jedoch keine Zeit, denn Ray wird von Unbekannten entführt und auf eine Reise ins niederländische Leimen geschickt, wo er auf ein Skizzenbuch Lovecrafts stößt, in dem er selbst abgebildet ist.

Gleichzeitig im Golf von Aden zwischen Somalia und dem Jemen: Die Fregatte Bayern der deutschen Marine, die zum Schutz der Handelsschifffahrt und zur Bekämpfung der Piraterie abgestellt ist, stößt auf das Geisterschiff Emma. Eine Videoaufzeichnung des Ersten Offiziers der Emma berichtet von einem Zusammentreffen mit einer gigantischen Kreatur aus den Tiefen des Meeres.

[…] »Ich werde meinen Namen nicht nennen«, fuhr der Mann auf der Videoaufnahme fort. »Und ich habe sämtliche Hinweise auf das Schiff getilgt. Ich habe den Namen übermalt und die Rettungsringe über Bord geworfen. Ich habe die Bordbücher, Karten und Unterlagen der Crew vernichtet. Nichts soll auf die Herkunft dieses Schiffes hinweisen, nichts soll die dunklen Götter ans Licht locken; die finsteren Mächte, die tief unten im Verborgenen lauern, auf dem Grund des Ozeans, wo sie schlafend lauern und darauf warten, zum Leben erweckt zu werden und die Welt zu vernichten.  Ich habe in den Abgrund geblickt.  Er ist nicht das Ende – er ist der Anfang. Der Beginn der Finsternis.« […]

Nachdem Christian Gailus in der letzten Folge einige Elemente aus den vergangenen Episoden in Beziehung gesetzt hat (die Mammut-Cave und der geheimnisvolle Bergsee nahe Rays geerbter Waldhütte) und man als Leser Landluft atmen konnte, konzentriert sich Folge 4 wieder hauptsächlich auf Rays schleichende Wesensveränderung. Der Autor lenkt den Verdacht des Lesers sogar dahin, dass Ray Phasen der Gier und der Geilheit durchlebt, in denen er keine Kontrolle über seinen Körper und Geist hat und für einige bestialische Morde verantwortlich sein soll. Jedenfalls zieht sich die Schlinge um Rays Hals immer enger zu, und er ist immer weniger in der Lage, die Ereignisse selbst zu steuern. So gerät die Folge gegen Ende auch etwas ins Straucheln.

Was die Lovecraft-Connection angeht, kommt in dieser Folge eine Sekte ins Spiel, die in den 1940ern in der Nähe von Rays Haus aktiv war und angeblich ein Exemplar des Necronomicon besaß. Außerdem ist in diesem Zusammenhang von einem weißen Wunderpulver die Rede, dass der Leser ebenfalls schon kennt. Losgelöst von der Handlung um Ray Berkeley wird eine Schiffsmannschaft am Horn von Afrika mit der Existenz eines riesenhaften tentakelbewehrenden Meeresbewohners konfrontiert.

So werden in dieser Folge wenigstens so viele Fragen aufgeworfen, wie zuvor beantwortet wurden und man darf gespannt sein, wie Christian Gailus dies alles in einen gemeinsamen Kontext setzt.

Fazit:
Ray Berkeley muss nicht nur zunehmend mit der Ungewissheit, was sich selbst und seine Handlungen angeht, kämpfen. Auch Mächte von außen dringen immer stärker in sein Leben ein.

(eh)