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Timetraveller – Episode 16

Sa­tans ers­ter Apostel

New York, An­fang De­zem­ber 1966

»Mein Kli­ent möch­te nichts wei­ter, als was be­reits ihm ge­hört, Mrs Ra­nows­ki.«

Auf der an­de­ren Sei­te des Pan­ora­ma­fens­ters glit­zer­ten auch an die­sem frühwin­ter­li­chen Abend die Lich­ter der ame­ri­ka­ni­schen Me­tro­po­le. Die Tem­pe­ra­tu­ren wa­ren stark ge­fal­len in den letz­ten Ta­gen, und der Ge­ruch von Käl­te und Schnee hing in der Luft.

Im Pent­house je­doch war es be­hag­lich warm. Im Ka­min lo­der­ten die Flam­men, kra­chend barst im­mer wie­der ein Scheit. Der ge­tä­fel­te Raum, die dunk­len Mö­bel und das ge­dämpf­te Licht ta­ten ihr Üb­ri­ges, um ein hei­me­li­ges Am­bi­en­te zu er­zeu­gen.

Be­tont lang­sam dreh­te sich die blon­de Frau um, de­ren Blick bis­her starr auf das Glas ge­rich­tet ge­we­sen war, ohne die herr­li­che Aus­sicht wahr­zu­neh­men. Sche­men­haft spie­gel­te sich ihre schlan­ke Ge­stalt auf der Schei­be. Sie trug ein eng an­lie­gen­des ro­tes Kleid, das ihr bis zu den Knö­cheln reich­te. Ihr wei­zen­blon­des Haar be­deck­te die frei­en Schul­tern und ei­nen Teil des Bril­lant­kol­liers, wel­ches ih­ren Hals zier­te.

Eil­een Ra­nows­kis hüb­sches Ge­sicht hat­te sich zu ei­ner säu­er­li­chen Gri­mas­se ver­zerrt, die ihre gan­ze Ver­ach­tung für ihre spä­ten Be­su­cher aus­drück­te. Ihre Au­gen fun­kel­ten un­ge­hal­ten, und wenn Bli­cke tö­ten wür­den, hät­ten sich die Bei­den rö­chelnd auf dem Par­kett­bo­den ge­wun­den.

Die 27-jäh­ri­ge hielt ein Glas Bour­bon in ih­rer Rech­ten, die sie nun aus- und den Zei­ge­fin­ger ab­streck­te, um da­mit an­kla­gend auf den dun­kel und ele­gant ge­klei­de­ten Ty­pen zu deu­ten, der ne­ben dem Sofa stand. Die zwei Eis­wür­fel in dem Ge­tränk klirr­ten.

»Sie be­haup­ten also nach wie vor, dass mein Mann et­was aus Ih­rem Be­sitz aus­ge­lie­hen hat. Kön­nen Sie das be­wei­sen?«

Wil­li­am Ca­va­naughs Ge­sicht blieb un­be­wegt. Der jun­ge aber er­folg­rei­che Rechts­an­walt war ge­ra­de mal zwei Jah­re äl­ter als La­disz­lav Ra­nows­kis Wit­we und von kräf­ti­ger Sta­tur. Sei­ne brei­ten Schul­tern und sei­ne har­ten und kan­ti­gen Züge ver­lei­te­ten Be­obach­ter im­mer wie­der dazu, in ihm Por­ters Leib­wäch­ter und nicht sei­nen recht­li­chen Bei­stand zu ver­mu­ten. Au­ßer­dem war er 1,96 m groß und über­rag­te die Ra­nows­ki um fast zwei Köp­fe.

Und ob­wohl Eil­een sich zier­lich und zer­brech­lich ge­gen ihn aus­nahm, ver­sprüh­ten ihre blau­en Au­gen eine Wild­heit, die ihm ge­fiel – ins­be­son­de­re, da sich da­rin auch eine ge­wis­se Angst wi­der­spie­gel­te. Wie ein in die Ecke ge­dräng­tes Tier, das zum Äu­ßers­ten be­reit war. Sie war ge­nau sein Typ.

Ich woll­te, ich könn­te sie mir neh­men, dach­te er. Si­cher wür­de sie hef­ti­ge Ge­gen­wehr leis­ten, mit Krat­zen und Bei­ßen. Und da­mit sei­ne se­xu­el­le Er­re­gung und Gier noch stei­gern.

Lang­sam und fast un­merk­lich zo­gen sich die Fin­ger sei­ner be­hand­schuh­ten Lin­ken zur Faust zu­sam­men, als er sich die Sze­ne bild­lich vor­stell­te. Aber sein Ge­sicht zeig­te nicht die ge­rings­te Re­gung; nach au­ßen hin blieb er voll­kom­men kühl.

»Ma­chen Sie es uns doch nicht schwe­rer, als es be­reits ist, Mrs Ra­nows­ki«, sag­te er nun. »Es ist ein al­tes Buch, das für Sie voll­kom­men ohne Wert ist.«

Eil­een lä­chel­te – mit dem Selbst­be­wusst­sein ei­nes gie­ri­gen Raub­kätz­chens, das sich sei­ner Beu­te be­wusst ist.

»So ganz wert­los scheint es aber den­noch nicht zu sein. So, wie Sie da­rauf drän­gen, es wie­der zu­rück zu be­kom­men.«

Wie sein Bröt­chen­ge­ber be­fürch­tet hat­te: die Ra­nowsch­ke Wit­we war ein geld- und ver­gnü­gungs­süch­ti­ges Biest. Nun, we­gen sei­nes Aus­se­hens hat­te sie La­disz­lav Ra­nows­ki be­stimmt nicht ge­hei­ra­tet; er war ei­ner der häss­lichs­ten Men­schen ge­we­sen, die Ca­va­naugh je be­geg­net wa­ren. Und er hat­te gut vier­zig Jah­re mehr auf dem Bu­ckel ge­habt als sei­ne jun­ge Frau.

Nur zu emp­fäng­lich war der Rechts­an­walt für die Ver­rucht­heit und die mit Skru­pel­lo­sig­keit ein­her­ge­hen­de Ge­fahr, wel­che die­se Frau aus­strahl­te. Das Drän­gen in sei­nen Len­den wur­de stär­ker, und schnell warf er ei­nen Blick auf sei­nen Ar­beit­ge­ber auf dem Sofa, um sich ab­zu­len­ken.

Eli­ah Por­ter wur­de von den meis­ten Men­schen un­ter­schätzt, da er ein ge­brech­li­ches Bild bot. Er war 1,76 groß und 51 Jah­re alt – wirk­te aber un­ge­mein be­tag­ter: Sei­ne Haut war fal­tig, ihr Teint war von kränk­li­chem Gelb. Le­ber­fle­cken ver­teil­ten sich auf sei­ner kah­len Stirn, von ei­nem schüt­te­ren Kranz aus wei­ßem Haar um­ge­ben. Er schien chro­nisch un­ter­er­nährt, die Klei­dung schlot­ter­te um sei­nen Kör­per – ein Ein­druck, der durch das per­ma­nen­te Zit­tern sei­ner Hän­de noch vers­tärkt wur­de. Eine wei­te­re mar­kan­te Auf­fäl­lig­keit wa­ren die bei­den Nar­ben auf den Hand­rü­cken, je­weils ein weiß­li­cher Kreis.

Nun hat­te er die Bei­ne an­ge­zo­gen und an­ei­nan­der ge­presst. Deut­lich wa­ren un­ter dem dunk­len Stoff der Hose die spit­zen Knie aus­zu­ma­chen. Die lin­ke Hand lag un­ru­hig auf dem Knie, die rech­te hielt den gol­de­nen Knauf ei­nes schwarz la­ckier­ten Geh­stocks um­klam­mert. Wie im­mer trug er eine Son­nen­bril­le, durch de­ren schwar­ze Glä­ser sei­ne Au­gen nicht zu se­hen wa­ren.

»Nun?«, frag­te Eil­een un­ge­dul­dig, als kei­ne Ant­wort er­folg­te. Ihr war un­heim­lich, wie die bei­den Her­ren sich an­schei­nend nur mit »Bli­cken« (im­mer­hin konn­te die­ser Rechts­ver­dre­her die Au­gen von Por­ter ja auch nicht se­hen) verstän­dig­ten.

»Wenn das al­les war, dann möch­te ich Sie bit­ten, jetzt zu ge­hen.«

»Im Buch ist ein Ver­merk, dass es Mis­ter Por­ter ge­hört. Wenn Sie uns nur den Ge­fal­len tun könn­ten, es zu ho­len? Dann se­hen Sie selbst, dass wir im Recht sind.«

»Nein«, ant­wor­te­te die Ra­nows­ki be­stimmt. »Am Bes­ten ma­chen Sie ei­nen Ter­min mit dem Nach­lass­ver­wal­ter mei­nes Man­nes aus. Er wird Ih­nen wei­ter hel­fen.«

We­der in Ca­va­naughs Ge­sicht noch in dem des al­ten Her­ren zeig­te sich eine Re­gung. Und noch et­was stör­te sie: War­um trug der An­walt auch im Haus noch die dün­nen schwar­zen Hand­schu­he? Ir­gend­et­was stimm­te mit den Bei­den ganz und gar nicht!

Nach kur­zem Zö­gern setz­te Eil­een hin­zu:

»Wie, sag­ten Sie, heißt das Buch?«

»Das Iter te­nebra­rum«, ant­wor­te­te der – wie sie zu­ge­ben muss­te, durch­weg at­trak­ti­ve – Mann, der sich mit dem Na­men Ca­va­naugh vor­ge­stellt hat­te. Sie run­zel­te die Stirn.

»Na, ich wer­de es dem Nach­lass­ver­wal­ter selbst aus­rich­ten. Ha­ben Sie eine Kar­te, wo ich Sie er­rei­chen kann?«

Eli­ah Por­ter hob die lin­ke Hand, als Ca­va­naugh in die Ta­sche sei­nes An­zugs grei­fen woll­te.

»Sie ver­ste­hen nicht, Mrs Ra­nows­ki.«

Sei­ne Stim­me war hei­ser, kräch­zend und schwach. Sie muss­te sich an­stren­gen, um ihn zu ver­ste­hen.

»Wir brau­chen das Buch – jetzt.«

Eil­een zuck­te mit den Schul­tern.

»Tut mir leid. Ich ken­ne mich in der Bib­li­o­thek mei­nes Man­nes nicht aus. Es könn­te Stun­den dau­ern, bis ich es fin­de.«

»Es wür­de für uns kein Prob­lem dar­stel­len, wenn Sie uns den Zu­gang er­lau­ben«, misch­te sich nun wie­der Wil­li­am ein.

»Nichts zu ma­chen. Ich hät­te die­ses Tref­fen gar nicht er­lau­ben sol­len. Bit­te ge­hen Sie nun, sonst muss ich den Si­cher­heits­dienst ru­fen.«

Die­se Dro­hung ver­an­lass­te Ca­va­naugh, wie­der sei­nen Ar­beit­ge­ber an­zu­se­hen. Die­ser schüt­tel­te leicht den Kopf und sah Eil­een Ra­nows­ki an. Dann gab er Wil­li­am ei­nen Wink, und die­ser half dem ge­brech­li­chen Mann beim Auf­ste­hen.

Auch wenn Por­ter sicht­lich Mühe hat­te, gab er kei­nen Laut von sich.

Eil­een at­me­te er­leich­tert auf. Es sah so aus, als schaf­fe sie es doch, die Bei­den ab­zu­wim­meln.

Der äl­te­re Herr wand­te sich ihr noch ein Mal zu. Sei­ne zit­tern­de Lin­ke hob sich zur Son­nen­bril­le, die un­ru­hi­gen Fin­ger fass­ten nach dem Bü­gel und zo­gen das Ge­stell von den Au­gen. Das sie­ges­si­che­re Lä­cheln der Wit­we ge­fror.

Blan­ke wei­ße Mur­meln schie­nen sie an­zustar­ren; wo sich nor­ma­ler­wei­se die Pu­pil­len be­fan­den, wie­sen Por­ters Aug­äp­fel eine gräu­li­che Fär­bung auf. Und ob­wohl Eil­een von Eli­ahs Blind­heit über­zeugt war, schien er sie den­noch deut­lich wahr­zu­neh­men. Ein kal­ter Schau­er kroch über ih­ren Rü­cken.

Sie woll­te ihr Ge­sicht ab­wen­den und ei­nen Schritt rück­wärts tun – aber sie war wie ge­bannt. Ein fei­nes Lä­cheln um­spiel­te die Lip­pen des al­ten Her­ren.

»Ge­hen Sie, Wil­li­am«, flüs­ter­te er. Der Rechts­an­walt nick­te und ging auf die Tür zu, die über ei­nen Flur zur Bib­li­o­thek ih­res verstor­be­nen Man­nes führ­te.

Sie woll­te pro­tes­tie­ren, schaff­te es aber nicht, sich zu rüh­ren, so­lan­ge die­se to­ten Au­gen ih­ren Blick ge­fan­gen hiel­ten. Sie be­merk­te, wie Schweiß­trop­fen an Por­ters Schlä­fen aus­tra­ten, um dann trä­ge über die leicht stop­pe­li­ge Haut der Wan­gen in den Kra­gen sei­nes An­zugs zu rin­nen. Die aus­tre­ten­de Flüs­sig­keit war nicht klar, son­dern mil­chig ge­färbt.

Eil­een konn­te nicht lan­ge da­rü­ber rät­seln; ihr Kopf schien mit ei­nem Mal in ei­nen Schraubstock ge­steckt, und der Druck auf ih­ren Schä­del vers­tärk­te sich zu­se­hends. Aus­tre­ten­des Trä­nen­was­ser ließ die Um­ge­bung ver­schwim­men.

Ein­zig Por­ters leb­lo­se Au­gen konn­te sie noch im­mer klar er­ken­nen.

 

***

 

Eli­ah Por­ters Lä­cheln war ein we­nig brei­ter ge­wor­den und ver­zerr­te sein ha­ge­res Ge­sicht zu ei­ner Gri­mas­se. Er hat­te mit dem Wi­der­stand von La­disz­lav Ra­nows­kis Wit­we ge­rech­net. Und sie da­mit ihr To­des­ur­teil un­ter­schrie­ben.

Er hat­te Ca­va­naughs se­xu­el­les Ver­lan­gen wohl er­spürt – ihn selbst er­griff nun eine ähn­li­che Er­re­gung bei der Vor­stel­lung, wie hilf­los und aus­ge­lie­fert die Ra­nows­ki sei­nem Bann war. Sei­ne freie Lin­ke strich be­dacht­sam über sei­nen Schritt, wäh­rend sei­ne blin­den Au­gen nach wie vor auf die Frau ge­rich­tet wa­ren. Sein Atem ging et­was hef­ti­ger.

In sei­nem Geist konn­te er ihre Macht­lo­sig­keit er­ken­nen, rie­chen und hö­ren. Er sah ihr hüb­sches Pup­pen­ge­sicht vor sei­nem geis­ti­gen Auge, ihre pral­len Brüs­te, über die sich der Stoff ih­res Klei­des spann­te. Fast war Por­ter ver­sucht, Wil­li­am den Vor­zug zu ge­ben, es ihr zu be­sor­gen. Er konn­te sich di­rekt vor­stel­len, wie sie nach dem ers­ten Mal nach mehr wim­mern wür­de.

Oft ge­nug hat­te er schließ­lich schon Ca­va­naughs Qua­li­tä­ten und sei­ne Wir­kung auf Frau­en er­lebt. Sein Lä­cheln wur­de zu ei­nem häss­li­chen Grin­sen.

Den­noch – er brauch­te kei­ne Rück­sicht auf sei­nen treu­es­ten Un­ter­ge­be­nen zu neh­men. Was zähl­te, war in ers­ter Li­nie sein ei­ge­nes Ver­gnü­gen, so war das Ge­setz. Der Rechts­an­walt ge­noss schon ge­nug Pri­vi­le­gi­en.

Por­ter vers­tärk­te den Zwang auf Ra­nows­kis Wit­we. Ei­nes Ta­ges wür­de ihn der Ein­satz die­ser Gabe wahr­schein­lich voll­kom­men ent­kräf­ten und ihm so den Tod brin­gen; je­des Mal, wenn er sie be­nutz­te, al­ter­te er um meh­re­re Tage. Der Ver­schleiß an Ener­gie war im­mens. Und den­noch wand­te er sie im­mer wie­der an. Es war wie eine Sucht.

Eil­een be­saß nicht die Wil­lens­stär­ke, Por­ters Im­pul­sen et­was ent­ge­gen­zu­set­zen. Lang­sam wand­te sie sich von Eli­ah ab. Bar­fuß mach­te sie klei­ne Schrit­te über den Bä­ren­fell­tep­pich auf den Ka­min zu.

An­stren­gung und Kon­zen­tra­ti­on trie­ben den mil­chi­gen Schweiß aus Por­ters Po­ren, die Rech­te krampf­te sich um den Griff sei­nes Geh­sto­ckes, bis die Knö­chel weiß her­vor tra­ten.

Die Ra­nows­ki brach­te ihr Ge­sicht nä­her an die Flam­men im Ka­min. Wäch­ser­ne Teil­nahms­lo­sig­keit lag auf ih­ren Zü­gen, nur ihre Au­gen wan­der­ten un­ru­hig um­her; in ih­nen zeich­ne­te sich ihre Angst, nein, das Ent­set­zen, das sie fühl­te, ab.

Die Dis­tanz zwi­schen dem Feu­er und ih­rem Pup­pen­ge­sicht ver­rin­ger­te sich zu­se­hends. Als ihre Haut nur noch Zen­ti­me­ter von den hoch le­cken­den Flam­men ent­fernt war, roch es be­reits nach ver­schmor­ten Haa­ren. Ihre Stirn und Wan­gen glüh­ten und rö­te­ten sich be­reits von der star­ken Hit­ze. Sie stöhn­te auf und ver­such­te, sich ge­gen den un­heim­li­chen Druck zu weh­ren – aber sie schaff­te es nicht, auch nur ei­nen Schritt zu­rück­zu­wei­chen.

Sie zog die hei­ßen Lip­pen über ihre zu­sam­men­ge­bis­se­nen Zäh­ne zu­rück. Das At­men fiel ihr schwer, und die Luft, die sie ein­sog, brann­te in ih­ren Lun­gen. Ihre Haut be­gann Bla­sen zu wer­fen, sich ab­zu­lö­sen. Der Schmerz wur­de un­er­träg­lich, der Drang, sich die über­hitz­te Ober­flä­che des Ge­sichts ab­zu­rei­ßen,schier über­mäch­tig; aber im­mer noch konn­te sie sich we­der ab­wen­den noch die Hän­de be­we­gen.

Eil­eens Au­gen ver­dreh­ten sich, bis nur noch das Wei­ße zu se­hen war. Nase und Wan­gen be­gan­nen, sich zu schwär­zen. Ein un­kon­trol­lier­tes Zit­tern durch­lief ih­ren Kör­per.

Por­ters Er­re­gung in­des stei­ger­te sich. Trotz sei­ner Blind­heit stand das Ge­sche­hen deut­lich vor sei­nem in­ne­ren Auge. Sein Atem ging schwer und keu­chend.

Als er La­disz­lavs Wit­we die Hän­de in die Flam­men stre­cken ließ, hör­te er aus der Bib­li­o­thek Wil­li­ams Ruf:

»Ich hab’s, Sir.«

Zu­frie­den nick­te der äl­te­re Herr, mach­te zwei, drei Schrit­te nä­her an den Ka­min und ließ Eil­een gleich­zei­tig ihre Hän­de zu­rück­zie­hen. Der Ge­ruch ver­brann­ten Flei­sches lag nun in­ten­siv und auf­dring­lich in der Luft.

Mit ei­ner ge­schmei­di­gen Be­we­gung, die man ihm nicht zu­ge­traut hät­te, schwang Eli­ah sei­nen Geh­stock durch die Luft. Der Knauf fuhr zwi­schen die bren­nen­den Schei­te und be­för­der­te ei­ni­ge glü­hen­de Koh­len­stü­cke auf das Bä­ren­fell. Rauch kräu­sel­te auf, dann ent­flamm­te die Bo­den­be­de­ckung.

Die Ra­nows­ki hat­te sich noch wei­ter vom Ka­min ent­fernt. Ihre Wahr­neh­mung schien kom­plett aus­ge­setzt zu ha­ben, ihr to­ter Blick wan­der­te ziel­los um­her. Trotz der Schmer­zen, die sie quä­len muss­ten, drang kein Laut über ihre ver­schorf­ten Lip­pen. Ihre stark ver­brann­ten Hän­de zit­ter­ten hef­tig, ihr Kör­per wur­de in kur­zen Ab­stän­den re­gel­recht durch­ge­schüt­telt.

Die Flam­men auf dem Bä­ren­fell­tep­pich schlu­gen hö­her, das Feu­er griff um sich. Por­ter wich mit un­si­che­ren Schrit­ten zu­rück, aber da war be­reits Ca­va­naugh bei ihm und stütz­te ihn.

Auch wenn der Rechts­an­walt be­reits Ei­ni­ges ge­wohnt war: Beim un­schö­nen An­blick Eil­eens pack­te selbst ihn ein dump­fes Grau­sen.

Por­ter hat­te sie noch nicht aus dem Zwang ent­las­sen und dräng­te sie nun in Rich­tung Pan­ora­ma­fens­ter. Trotz ih­rer Ver­let­zun­gen wehr­te sie sich da­ge­gen, be­gann, um sich zu schla­gen. Dann rann­te sie mit ei­nem Mal di­rekt auf die Glas­front zu.

Die Schei­ben wa­ren dem An­sturm nicht ge­wach­sen; in ei­nem Re­gen aus Scher­ben stürz­te Ra­nows­kis Wit­we hi­naus in die kal­te Nacht­luft – die tie­fen Schnit­te, die ihr ei­ni­ge der Split­ter bei­brach­ten, spür­te sie nicht mehr.

Halt­los fiel sie über meh­re­re Stock­wer­ke in die Tie­fe.

Sie kam mit Schul­ter und Kopf zu­erst auf dem har­ten As­phalt auf; Schlüs­sel­bein, Ober­arm und Ge­lenk­pfan­ne wur­den bei dem Auf­prall zer­trüm­mert, die Schä­del­de­cke zer­schmet­tert. Rund­he­rum pras­sel­ten Glas­split­ter zu Bo­den.

Aber da­von be­merk­te Eil­een Ra­nows­ki be­reits nichts mehr.

Ver­ein­zel­te Pas­san­ten, die um die­se Zeit noch un­ter­wegs wa­ren, schri­en auf und rann­ten auf das ver­meint­li­che Un­fall­op­fer zu, um das sich lang­sam eine Blut­la­che aus­brei­te­te.

Zwan­zig Stock­wer­ke hö­her ver­ließ Ca­va­naugh mit Por­ter das Pent­house. Der Rechts­an­walt muss­te sei­nen Ar­beit­ge­ber stüt­zen. Hin­ter ih­nen griff das Feu­er um sich. Das Buch, wes­we­gen sie her­ge­kom­men wa­ren, be­fand sich in Wil­li­ams Ak­ten­ta­sche.

Im Auf­zug an­ge­kom­men wisch­te Ca­va­naugh Eli­ah die ein­trock­nen­den (und auf­fäl­li­gen) Schweiß­spu­ren von der Stirn.

Por­ter lä­chel­te zu­frie­den und mit der Ge­wiss­heit des Fa­na­ti­kers. Die dunk­len Mäch­te wür­den ihre schüt­zen­de Hand über ihn und Ca­va­naugh hal­ten, und sie wür­den den Tat­ort un­ge­hin­dert ver­las­sen kön­nen. Nie­mand wür­de sich an die bei­den in dunk­le An­zü­ge ge­klei­de­ten Her­ren er­in­nern.


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