Dunkle Stunden
Vanessa Kaiser, Thomas Lohwasser (Hrsg.)
Dunkle Stunden
Anthologie, Taschenbuch, Verlag Torsten Low, Meitingen/Erlingen, Oktober 2014, 426 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 9783940036261, Umschlaggestaltung und Illustrationen: Vee-Jas – Juliane Seidel und Tanja Meurer
www.verlag-torsten-low.de
www.vee-jas.de
Dunkelheit. Ratten, die diese bevölkern. Dazwischen ein einzelner Mensch, dem nichts anderes geblieben ist als zu hoffen …
Ein finsteres Verlies. Etwas ist darin eingesperrt und wartet auf seine Abholung. Doch seine Wärter trauen sich nicht hinab, sie verhandeln miteinander, vielleicht losen sie. Der mit dem kürzesten Strohhalm muss hinuntersteigen …
Ein Professor für Quantenphysik, der sich mit seinen Experimenten weit hineingewagt hat in eine Welt jenseits aller Vorstellungskraft – und zu nahe an etwas, das er einmal für Gott hielt …
Diese und weitere packende Visionen aus Düsternis, Grauen und Verzweiflung versammeln sich in der Dunkelheit zwischen den Buchdeckeln und warten darauf, im Licht der Leselampe enthüllt zu werden. Doch auch Nachdenkliches, Verspieltes und selbst eine Prise Humorvolles schlummert verborgen zwischen den Seiten. 25 Geschichten, die Atmosphäre atmen und an die man sich erinnert – mit einem Lächeln auf den Lippen oder mit einem angenehmen Schauer im Nacken.
Wenn die Nacht am tiefsten ist
Wenn die dunkle Stunde schlägt
Dann schweift mein Blick zum Horizont
Zum Licht der Sonne wenn der Tag erwacht
(Aus: Schandmaul Dunkle Stunde)
Völlige Dunkelheit. Man sieht absolut nichts, erblickt nirgendwo einen Punkt, an welchem man sich orientieren kann. Es gibt nichts, was einem vertraut oder bekannt vorkommt. Nichts, was einem Halt bieten kann. Nichts ist in greifbarer Nähe, was von aufsteigenden Ängsten ablenkt. Man lässt seiner Fantasie freien Lauf …
So auch 22 Autoren in 25 Geschichten, welche unterschiedlicher nicht sein können.
Anthologien mit einer vorgegebenen Thematik sind für einen Herausgeber solcher stets ein Wagnis, mit welchem sich auch Publikumsverlage auseinandersetzen müssen, dieses meistens nicht eingehen und die Veröffentlichung von Anthologien Nischen überlassen. Noch nicht einmal ein Orakel kann vorhersagen, welche Geschichten beim Leser ankommen und welche nicht. Es sind zum größten Teil persönliche Empfindungen und Wahrnehmungen der Jury und Herausgeber, die darüber befinden, welche eingereichten Storys Einzug in die Kurzgeschichtensammlung halten; sogenannte Wildcards als Zugpferde dabei nicht berücksichtigend. Alles gipfelt in ein Wagnis, fast ausschließlich unbekannte Autoren auszuwählen.
No risk, no fun! Dieses Motto haben Vanessa Kaiser und Thomas Lohwasser in die Wagschale geworfen. Dabei ist eine Anthologie zeitgenössischer Phantastik entstanden, in welcher die Autoren ihren Visionen von Düsternis freien Lauf lassen und dem Leser so manchen Einblick in ihre düsteren Welten geben. Alle Plots bewegen sich auf hohem Niveau, die Texte sind handwerklich gut strukturiert, auch wenn hier und da längere Passagen ein Nachdenken verursachen und dabei das Vorhergelesene zum Teil in Vergessenheit gerät. Sicherlich wären in diesen Fällen kürzere Sequenzen und eine Konzentration auf das Wesentliche vorteilhafter gewesen. Doch dies ist Geschmackssache.
Besonders hervorzuheben ist, dass Dunkle Stunden durch ihre Vielfältigkeit an Storys besticht. Aufgrund der Tatsache, dass man Begriffe wie Düsternis und Dunkelheit mit wenigen Worten erklären kann, zeichnet sich die Anthologie durch die unterschiedlichste Herangehensweise an die Thematik aus, sodass man die Kurzgeschichtensammlung letztendlich nicht einem Phantastikgenre eindeutig zuordnen kann. Jede Story, jeder Protagonist steht zwar für sich, bildet jedoch in Bezug auf das gewählte Leitthema zusammen mit den anderen ein homogenes Konglomerat.
Umschlaggestaltung und Innenillustrationen von vee-jas bringen das Leitmotiv der Anthologie gut zur Geltung, wobei die Schrift auf dem Cover etwas unglücklich erscheint und nicht der Burner ist. Punkten kann die Kurzgeschichtensammlung mit einem ordentlichen, gut lesbaren Satz sowie mit aussagekräftigen Autorenvitae zu Beginn einer jeden Story.
Fazit:
Dunkle Stunden ist ein Spiel mit dem Ureigensten des Menschen, die Angst. Nichts ist abstruser, als von Dunkelheit umgeben zu sein und nur erahnen zu können, was um einen herum passiert. Irre Gedanken bahnen sich in den einzelnen Geschichten einen Weg zum Leser, manchmal nachdenklich, manchmal verspielt, oder auch humorvoll. Welchen Weg man selbst beim Lesen findet, sollte jeder für sich persönlich herausfinden.
(wb)