So eine Drachenschande
Seine Gnaden, der Kronbischof von Kalliopta IV verließ wutschnaubend sein großzügig angelegtes Badezimmer, ohne sich um zeremonielle Gewandung auch nur einen Augenblick zu kümmern. Genauer gesagt, um irgendwelche Gewandung. Schließlich sinkt die Notwendigkeit textiler Verhüllung drastisch, wenn man über einen etwa fünfzehn Fuß1 langen mit grünmetallicfarbenen Schuppen gepanzerten Körper verfügt, dessen Fortpflanzungsorgan während seiner nicht übermäßig häufigen Ruhepausen unsichtbar hinter einer stabilen Schuppentasche lauert. Moralische oder zeremonielle Einwände waren auch nicht zu erwarten. Der Wille zu öffentlich geäußerter Kritik ist nun mal erheblich eingeschränkt, wenn man sie gegenüber einem Bischof äußern soll, der einen aus einem fast zwei Fuß2 langen, reißzähnebestückten Rachen angrinst, auf Kalliopta IV kraft Amtes sakro-sankt ist und dessen Vorliebe für das Verspeisen lästiger Untertanen seitens der öffentlichen Meinung eher als lässliche Sünde betrachtet wird (immer vorausgesetzt, der Veröffentlicher der Meinung kann davon ausgehen, nicht selbst betroffen zu sein).
Ja, der geneigte Leser wird es schon bemerkt haben: Seine Gnaden sind – um es in den Worten gewöhnlicher Sterblicher auszudrücken – ein Drache3, genauer gesagt ein Drachenkönig, um ganz genau zu sein, ein äußerst ungehaltener Drachenkönig. Weniger gewöhnliche, weniger Sterbliche (also beispielsweise besagter Kronbischof) bezeichnen Angehörige seiner Gattung schlicht als das erste Volk, allerdings ohne darzulegen, wen sie denn als das zweite erwähnt wissen möchten.
Vermutlich endete ihre diesbezügliche Zählweise im Binärraum: Eins oder null. Genauer hat dies jedoch bislang noch niemand herausgefunden, der letzte unvorsichtige Frager gehörte mit absoluter Sicherheit Augenblicke nach der Fragestellung definitiv keinem Volk mehr an, sondern befand sich auf dem Wege durch die unergründlichen Därme seiner Gnaden bis zum zeitweise benutzten Abort oder jedem beliebigen anderen Ort, an dem seine Gnaden seine Hinterlassenschaft abzusetzen pflegten – wohlgemerkt in dem sicheren hygienischen Bewusstsein, dass seine vorwiegend der Gattung Mensch angehörenden Untertanen sich geradezu ein Bein ausreißen würden, diese schleunigst wegzuschaffen, bevor er selbst dazu gezwungen war (dem Betreffenden das jeweilige Bein auszureißen, selbstverständlich).
Also, seine Gnaden waren wütend, um genau zu sein: stinkerbärmlichkotzsauer!
Nicht bloß, dass er seine geliebte Badeschlammgrube zu verlassen genötigt war und seit fast einer halben Stunde sein oben angeführtes schuppenverdecktes Organ keine aufregendere Betätigung gefunden hatte, als eben diesen Schlamm mittels des gerade genossenen Fasses Kirschwein zu verdünnen. Nein, da schien der zitternd vorgetragenen Meldung des Kuriers nach, irgendein Scherzkeks pyrotechnische Spielereien in einem seiner geliebten Drachenhorte veranstaltet zu haben. Entsprechend seines Gemütszustandes hatte sich auch sein normalerweise grünlicher Schuppenpanzer in ein bedrohlich purpurn schimmerndes Dunkelbraun gekleidet – ein sicheres Zeichen für alle, die ihn kannten, dass es derzeit ausgesprochen unangebracht war, den heiligen Kronbischof weiters zu verärgern. Zum Leidwesen des Kuriers benötigten die Schuppen jedoch geraume Zeit, ihre stimmungsbezogene Farbe anzunehmen, sodass dieser nicht mehr in der Lage war, rechtzeitig die Kurve zu kratzen oder auch nur seine Meldung zu bedauern. Aber wenn er dumm genug war, sich dies nicht schon beim Überbringen der Nachricht zu denken, war er eben der natürlichen Auslese zum Opfer gefallen. Das ist so was wie Die Guten aufs Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen oder so, also irgendwas mit Darwinschem Prinzip oder Ähnliches.
Ifzvnerbtuiobrzdvioder der Erste4 (so sein natürlicher Name, den wirklichen Namen verriet er aus magischen Gründen nicht und – wie er sagte – weil er äußerst schwer auszusprechen war5)6 schoss also schlitternd in den Thronsaal, wobei er versehentlich mit seinem hinteren Anhängsel etwa die Hälfte seiner ihn umschwänzelnden Hofschranzen von den Füßen fegte und bremste mit kreischenden Fußkrallen vor seinem güldenen Thron, der wegen der Scheißkälte des Baumaterials vorsichtshalber mit den Fellen einer halben Hundertschaft eigens hierfür erlegter Wald- und Steppenbewohner belegt war.7
Ifzvnerbtuiobrzdvioder (nennen wir ihn der Papierkosten halber hier besser Isidor, zumindest zeitweise) schwang sich also mit einem leichten Schlag seiner Stummelflügel auf sein Repräsentationspodium und musterte den Raum. Sein Hofstaat hielt sich vorsichtig im Hintergrund, in der irrigen Annahme, hinter dem erbosten Drachen sei das Leben sicherer. Dieser Irrtum beruhte lediglich auf der unbestreitbar glücklichen Tatsache, dass seit seinem Eintreffen auf Kalliopta Ifzvnerbtuiobrzdvioder (Pardon: Isidor) noch keinerlei Verdauungsstörungen getroffen hatte, welche den Aufenthalt in seiner Umgebung speziell in Richtung seiner caudalen8 Extremitäten zu einer lebensgefährlichen Angelegenheit geraten ließen. Sein letztes Bistum auf Ebenir IX fand nach dem Verzehr der örtlichen planetaren Zwiebelernte, heruntergespült mit der des lokalen Beerenweines vom Vorjahr durch Isidor (aha! Jetzt hat’s geklappt!) nach einer nur mäßig sachgerecht durchgeführten Punktion seitens eines übelwollenden Drachenjägers ein plötzliches und ziemlich explosives Ende, kurz bevor dieser9 erwachte und sich respektive seine sich erst langsam und mühsam aus diversen Sonnensystemen wieder zusammenfindenden Überreste10 im luftleeren Raum treibend zwischen zentrifugal auseinanderstrebenden Bruchstücken seiner ehemaligen Residenzwelt wiederfand.
Die vollständige Story steht als PDF, EPUB und MOBI zum Downloaden zur Verfügung.
Bisherige Downloads PDF: 806
Bisherige Downloads EPUB: 637
Bisherige Downloads MOBI: 597