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Kriegsbriefe gefallener Studenten

Philipp Witkop
Kriegsbriefe gefallener Studenten

History, Hardcover oder E-Book, Weltbild, Augsburg Dezember 2013, 448 Seiten, Hardcover 12, 99 Euro, E-Book 3, 99 Euro, ISBN: 9783828957732

Dieser in sich abgeschlossene Band über studentische Soldatenbriefe aus dem Ersten Weltkrieg legt die religiösen und politischen Ansichten, Gefühle, Ängste und Hoffnungen der jungen bis sehr jungen Soldaten offen: Sie reichen von patriotischen (wobei der Patriotismus allerdings oft nur als letzte Stütze im grausamen Alltag dient, an der man sich festklammert) bis hin zu kritischen Studenten, die sich von Anfang an gegen den Krieg ausgesprochen haben. Die meisten Briefe enthalten eine Mischung aus beidem, da viele nach der ersten Kriegsbegeisterung schnell die menschenverachtende Realität des Krieges erkennen. Viele Soldaten haben Sehnsucht nach Zuhause und wünschen sich, dass der Krieg bald vorbei ist. Andere sind entweder aus patriotischer Begeisterung oder aus Pflichtgefühl bzw. der Bedrohung für die geliebten Menschen zuhause selbst nach Monaten an der Front noch von der gerechten Sache überzeugt bzw. legen deshalb einen beachtlichen Durchhaltewillen an den Tag. Gerade an Weihnachten kommt das Heimweh durch, auch wenn einige Soldaten versuchen, sich ein möglichst schönes Fest an der Front zu machen und das auch zur Beruhigung der Angehörigen in ihren Briefen schreiben. Einmal feiern sogar die beiden verfeindeten Parteien miteinander – die Soldaten beider Lager stellen fest, dass sie kriegsmüde sind. Aber auch so steht in dem ein oder anderen Brief, dass die gegnerischen Soldaten genauso leiden wie man selbst. Die Rede ist weiterhin von alltäglichen grausigen Anblicken auf dem Schlachtfeld – man sitzt oder liegt z.B. auf den Leichen der Kameraden oder Feinde während eines Beschusses – und wie man damit umgeht: Viele gestehen, dass sie allmählich abstumpfen, um diese Grausamkeiten überhaut ertragen zu können. Andere sehen Heldenmut oder vollbringen selbst kleine und große Heldentaten. Die meisten berichten, dass sie im Angesicht des manchmal schon sekündlichen Todes nochmal in sich gehen, ihr Leben überdenken, ihren Angehörigen Mut und Trost zusprechen – selbst wenn sie schwer verwundet sind; es gibt auch den ein oder anderen Abschiedsbrief, den die Soldaten mit einer tödlichen Wunde geschrieben haben – und dann entweder mit ihrem Leben Frieden schließen können oder sich erst recht bewusst werden, wie viel ihnen am Leben liegt. So entdecken sie z.B. eines Morgenmarsches die Schönheit des Sonnaufgangs und der Natur. Solche schönen Momente werden im Angesicht des ständigen Tötens besonders intensiv genossen. Die meisten berichten, dass sie eine andere Sicht auf das Leben entwickeln und es mehr zu schätzen wissen. Ihre Erfahrungen würden sie gern in einem hoffentlich besseren Leben nach dem Krieg verwenden; auch das ist ein häufiger Wunsch. Umso bitterer lesen sich solche Briefe, denn schon am Anfang eines jeden Schriftstücks steht unter dem Geburts- das Sterbedatum. Keiner der Soldaten, deren Briefe in diesem Band veröffentlicht wurden, ist aus dem Krieg lebend zurückgekehrt. Und die anderen Soldaten, die zurückgekehrt sind, hatten es als kriegsverletzte Veteranen oft besonders schwer, denn soziale Absicherungen oder gar eine psychologische Betreuung gab es nicht. Auch heute noch müssen z.B. Soldaten mit Kriegstraumata hart um ihr Recht zur beruflichen und finanziellen Versorgung und psychologischen Betreuung kämpfen (siehe z.B. hier: www.planet-wissen.de). Bedrückend an der Lektüre ist auch, dass je weiter der Krieg fortschreitet, die in die Schlacht geschickten Soldaten immer jünger werden. Am Schluss sind es Briefe von Primanern. Das Buch an sich ist so aufgebaut, dass es bzgl. der Briefe und Sterbedaten chronologisch vorgeht, bis es schließlich zum Ende des Krieges gelangt, in dem besagte Primaner eingesetzt werden. Da offenbaren sich auch Palallelen zum Zweiten Weltkrieg, in dem Hitler als Kanonenfutter schließlich Teenager an die Front schickte. Auch unter diesem Wissen lesen sich die Hoffnungen der jungen Soldaten auf ein besseres, friedliches Deutschland sehr bitter. Und natürlich unter dem Wissen, dass die Briefe schließlich zu Propaganda- und Patriotismus-Zwecken missbraucht wurden.

Fazit:
Ein berührendes und bedrückendes Dokument Zeitgeschichte aus der persönlichen Sicht von gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges. Da bleibt einem der Lesegenuss im Hals stecken.

(ud)