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Der Gesang des Blutes

Andreas Winkelmann
Der Gesang des Blutes

Thriller, Taschenbuch, Wunderlich/Rowohlt Verlag, Hamburg, Oktober 2013, 336 Seiten, 9,99 Euro, ISBN 9783499266669, Titelillustration/Titelgestaltung von Hafen Werbeagentur, Hamburg
www.rowohlt.de
andreaswinkelmann.com

Kristin und Tom Merbold ziehen mit ihrem kleinen Töchterchen Lisa in ein kleines Häuschen am Rande eines Dorfes nahe Hamburg. Damit hat sich das junge Ehepaar einen lang gehegten Traum erfüllt, trotz der Tatsache, dass Kristin eine irrationale Angst vor dem Keller hat. Und obwohl Tom sie deswegen aufzieht und auslacht, setzt sie keinen Fuß in das modrige Gewölbe. Trotzdem richten sie sich gemütlich in dem Haus ein, welches allerdings eine bewegte Vergangenheit zu haben scheint, auch wenn der Makler und die Nachbarn nicht so recht mit der Sprache rausrücken wollen.
Eines Tages geschieht jedoch ein schreckliches Unglück. Tom wird bei einem Banküberfall erschossen und plötzlich steht Kristin als alleinerziehende Mutter mit einem verschuldeten Haus da. Und dann sind da noch die grauenhaften, plastischen Träume von dem Scherenschleifer, der einst die Gegend unsicher gemacht haben soll.
Ungefähr zur selben Zeit entschließt sich der Gauner Robert Stolz dazu, das bei dem Bankraub erbeutete Geld seines missratenen Bruders, der bei der anschließenden Schießerei mit der Polizei ums Leben kam, dessen Komplizen Radduk abzuluchsen. Ein schwerwiegender Fehler, denn Radduk entpuppt sich als skrupelloser Psychopath, der vor nichts zurückschreckt, um seiner Beute habhaft zu werden …

Endlich liegt das Romandebüt von Andreas Winkelmann als Neuauflage im Taschenbuch vor. Lange mussten die Fans auf die Wiederveröffentlichung des Titels warten, doch endlich hat der Rowohlt-Verlag ein Einsehen gehabt. Allerdings wurde der Titel Der Gesang des Scherenschleifers umgemünzt in Der Gesang des Blutes. Im Roman selbst mixt der Autor gekonnt Elemente einer Familientragödie mit den Zutaten eines Thrillers und einer Prise Horror. Mit 336 Seiten liegt die Geschichte im guten Mittelfeld, nimmt sich Zeit mit der Ausarbeitung der Charaktere, kommt aber auch recht schnell auf den Punkt, ohne sich zu sehr in die Länge zu ziehen. Dabei geizt Winkelmann nicht mit überraschenden Wendungen und schickt den Leser auf einen Horror-Trip mit Gänsehaut-Garantie. Aber Vorsicht! Der Gesang des Blutes ist nichts für schwache Nerven und gewiss keine herkömmliche Thrillerkost. Lediglich das Ende ist vielleicht eine Spur zu überhastet und wirkt stellenweise doch recht bemüht. Dies liegt unter anderem aber auch an dem modernen Robin-Hood-Verschnitt Robert Stolz, dem männlichen Protagonisten des Romans. Lief die Geschichte bis dahin verhältnismäßig ruhig ab, nur sporadisch unterbrochen von geschickt eingestreuten Spannungsspitzen, so entwickelt sich die Handlung im letzten Viertel rasch zum Action-Thriller der Superlative. Radduk indes ist die Verkörperung des ultimativen Antagonisten und von Grund auf Böse. Ein paar Worte zu seinem Werdegang hätten der Figur ein wenig mehr Tiefe verleihen können, sodass der Leser seine Beweggründe zumindest ein bisschen besser hätte nachvollziehen können. Dessen ungeachtet ist Der Gesang des Blutes aber ein überraschend ausgereiftes Debüt mit einer wirklich originellen Geschichte. Wer kennt denn noch heutzutage die Scherenschleifer, die mit einem Handkarren über Land zogen, um Messer und Scheren zu schleifen? Kristins (Alp-)Träume wirken manchmal sehr ausgedehnt, beinahe wie Zeilenschinderei, doch letztendlich ergibt alles einen Sinn und hat am Ende auch seine Berechtigung. Zumal Andreas Winkelmanns Schreibstil derart gefällig und flüssig zu lesen ist, dass man sich keinesfalls durch die Seiten quälen muss. Für Leser mit einer Affinität für Thriller, die ein wenig abseits des Mainstreams liegen, die optimale Leseempfehlung.

Das Covermotiv, so schlicht und einfach es auch gestaltet wurde, könnte treffender gar nicht sein. Die enge Treppenstiege, die im Roman eine Schlüsselrolle spielt, die Überlichtung und der blutige Schleier vermitteln eine verstörende, surreale Atmosphäre, die gut zum Inhalt passt.

Fazit:
Überzeugendes Thriller-Debüt an der Grenze zum Horror. Nichts für schwache Nerven! Dank der lebendigen Charakterzeichnung fiebert man mit den Protagonisten auf jeder Seite mit. Obwohl das Finale die Qualität der vorangegangenen Handlung nicht halten kann, ist der Roman jedem Fan unkonventioneller Thriller wärmstens zu empfehlen.

(fh)