The Nobody
The Nobody, DC-Vertigo, USA, 2012
Paninicomics, Stuttgart, Januar 2013, Hardcover, Graphic Novel/Drama/Science-Fiction, ISBN: 9783862014644, 148 Seiten, 19,95 Euro
Zeichner: Jeff Lemiere
Covermotiv: Jeff Lemiere
Aus dem Amerikanischen von Gerlinde Althoff
Eines Tages im Jahr 1994 kommt ein seltsamer Mann in das Dörfchen Large Mouth. Der Fremde, der um Kopf und Hände vollständig in Mullbinden gewickelt ist, stellt sich als John Griffen vor und mietet sich im örtlichen Motel ein. Im Diner begegnet Griffen der sechzehnjährigen Vickie, die eine unschuldige Neugier dem Fremden gegenüber entwickelt.
Vickie besucht Griffen immer öfter in seinem Motelzimmer, die beiden reden und die freunden sich an. So erfährt Vickie auch von Griffens tragischer Vergangenheit und dem Grund für seine seltsame Kostümierung. Obwohl die Dorfbewohner dem Fremden mit Abstand begegnen, wird Griffen nach und nach ein vertrauter Anblick in Large Mouth. Da erscheint plötzlich ein weiterer Fremder aus Griffens Vergangenheit in Large Mouth auf und setzt eine ungewünschte Ereigniskette in Gang.
Jeff Lemires The Nobody nutzt die H. G. Wells Figur des Unsichtbaren, um eine alternative Geschichte zu erzählen, die hier 1994 beginnt. John Griffen (in Wells Roman Griffin) hat einen Weg gefunden, sich unsichtbar zu machen. Doch das Mittel hat auch seine Psyche verändert, was unter anderem in einen tödlichen Streit mit seiner Ehefrau mündete. Nun flieht Lemires John Griffen vor seiner Schuld in das 754 Einwohner zählende Large Mouth, wo er versucht, die Vergangenheit, die nach und nach in einigen Erinnerungsrückblenden geschildert wird, in selbst gewählter Einsamkeit hinter sich zu lassen. Doch der jungen Vicky gelingt es, zu ihm durchzudringen; ein unpassendes Verhalten, das in dem Dorf nicht gerne gesehen wird. Als schließlich Griffens ehemaliger Bekannter Kemp ihn in Large Mouth ausfindig macht und aufsucht, eskalieren die Ereignisse.
Im Gegensatz zu H. G. Wells Roman steht in The Nobody weder das Science-Fiction-Element noch die Action im Vordergrund. Man wird dagegen Zeuge, wie der schuldbeladene Griffen versucht, mit seinem bisherigen Leben abzuschließen, was ihm nur bedingt gelingt. Schon sein fremdartiges Erscheinungsbild macht in überall zu einem Außenseiter, der stets mit Argwohn beobachtet wird.
Die grafische Umsetzung (nur Tusche in verschiedenen Stärken) wirkt fast schon fahrig und nicht im Mindesten, wie die geleckten Produkte der Superheldenfraktion. Dennoch sind die einzelnen Charaktere mit typischen Merkmalen versehen und sehr gut unterscheidbar. Auf eine Kolorierung hat Jeff Lemiere verzichtet, lediglich die Schattenflächen sind hellblau gefärbt. Die kühle Farbgebung sorgt für eine durchgehend winterliche Stimmung. Insgesamt wirkt die Graphic Novel sehr »entschleunigt« und verfügt damit über eine ähnliche Grundstimmung wie der Film Fargo der Coen-Brüder.
Auch wenn hier das Drama im Mittelpunkt steht, ist eine kleine Verbeugung vor dem Pulp-Genre dennoch enthalten: Für jedes Kapitel hat Jeff Lemiere ein Cover entworfen, das grundlegend den klassischen DC-Cover nachempfunden und schön reißerisch gestaltet ist.
Die Präsentation von Paninicomics ist wieder einmal mustergültig: Die Hardcoverausführung mit einem hellblauen Vorsatzblatt (inkl. einem symbolträchtigen Panel aus dem Comic) und das hochwertige Paper machen The Nobody zu einem edlen Sammlerstück.
Fazit:
Was wäre, wenn H. G. Wells Unsichtbarer sich in ein abgelegenes Kaff hätte retten können. Melancholisch-kühles Drama um Schuld, Sühne und Andersartigkeit.
(eh)