Timetraveller Episode 31
Prolog
Die Anfänge
I
Kolumbien, 20. September 2010
Der Regenwald war dicht und an vielen Stellen undurchdringlich. Die Blätter der großen Bäume filterten das Sonnenlicht, Schlingpflanzen hingen von den starken Ästen herab.
Insekten schwirrten um farbenfrohe Pflanzen herum oder stiegen aus kleinen Tümpeln auf, Affen kreischten und Vögel flatterten auf, um hinauf zu den Wipfeln zu fliegen. Die Temperaturen lagen bei knapp 35 Grad, die Luftfeuchtigkeit war hoch.
»Ich glaube, ich schimmele bei lebendigem Leib!«, murmelte Jussuf Talabani, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte. Anschließend schlug er nach einer Stechmücke, ohne sie aber zu erwischen.
»Du hast den Tropentest aber bestanden, oder?«, fragte sein Begleiter Ali Malik. »Ich habe keine Lust, dich zum Lager zu tragen!«
»Welchen Tropentest?«, fragte Talabani sarkastisch. »Wir sind auf einer heiligen Mission unterwegs; Allah wird uns führen und schützen.«
»Wenn du meinst!« Malik, der in den USA geboren und aufgewachsen war, spürte zwar eine tiefe Verbundenheit zum Islam und empfand es als seine Pflicht, den Dschihad ins Land der Unterdrücker und Ausbeuter zu tragen. Hin und wieder besann er sich jedoch auf rationale Überlegungen. Gewiss, Allah führte sie. Das bedeutete aber nicht, dass man sich blind in ein Abenteuer stürzte, ohne gewisse Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen.
Er argwöhnte, dass sich sein Begleiter nicht hatte impfen lassen. Ob man zum Märtyrer wird, wenn man sich Malaria einfängt und daran stirbt?
»Wie weit ist es noch?«, unterbrach Talabani stöhnend. »Ich habe das Gefühl, wir haben das Land einmal der Länge nach durchquert.«
Malik grinste. »Nicht einmal einen Bruchteil haben wir durchquert!«, erwiderte er auf Arabisch. »Wir sind erst seit drei Stunden unterwegs!«
»Schon gut! Also, wie lange noch?«
Malik holte seinen PDA hervor, rief die Karte auf und wartete, bis das GPS-Signal seine Position anzeigte. Anschließend ließ er den kleinen Handheld die Wegstrecke berechnen. »Du hast Glück – wir sind fast da! Laut Karte müssen wir einen kleinen Fluss überqueren, dann noch knapp eine halbe Meile laufen und müssten schließlich vor den Ruinen stehen!«
»Ein Fluss? Sehr gut! Allah sorgt für uns, denn er schickt uns eine Erfrischung!«
Malik nickte bestätigend, ehe er mit seiner Machete auf einen dichten Vorhang widerstandsfähiger Schlingpflanzen einschlug, die den beiden Männern den Weg versperrten.
Kaum waren sie hindurch, konnten sie bereits das Ufer des Wasserlaufs sehen.
Talabani wollte sofort dorthin laufen, doch Malik hielt ihn zurück. »Vorsichtig, Mann!«, rief er. »Hier gibt es Wasserschlangen. Wir haben eine Mission!«
Der Araber hielt inne und kniff die Augen zusammen. Er konnte keine Gefahr sehen. Dennoch ging er langsam weiter, erreichte das Ufer – und wich zurück, als er eine grüne Schlange sah, die sich vor ihm auf einem Stein zu wärmen schien. Die Sonne schien hier ungestört zu Boden, sodass sie den Grund und vor allem die Steine aufheizte.
Das Tier zischelte kurz, ehe es zum Wasser glitt und dem Lauf folgte, bis es außer Sicht der beiden Männer war.
»Siehst du?«, fragte Malik. »Vorsichtig!«
Talabani nickte, ehe er in die Hocke ging und sich wusch. Anschließend schöpfte er mit seinen Händen Wasser, um davon zu trinken, ehe er die Feldflasche auffüllte. »Woher weißt du so gut über diese Region bescheid?«, fragte er anschließend.
»Ich habe Biologie sowie Physik studiert und war ein paarmal im Regenwald. In einem anderen Leben, ehe mich Allah als Gotteskrieger auswählte.«
»Wohl gesprochen!«, sagte Talabani leise, während er sich wieder aufrichtete. »Gehen wir weiter?«
Malik nickte und begann, eine Schneide in das Dickicht zu schlagen. Sie waren ihrem Ziel nun ganz nahe!
II
»Wir sind da!«, sagte Talabani voll Ehrfurcht, während er seine Blicke über zerstörte Gebäude, ausgebrannte Wagen und ein Helikopter-Wrack gleiten ließ. »Wer hat die Anlage zerstört? Die Armee?«
»Die ungläubige Schlampe, die unseren Brüdern schon häufiger in die Parade fuhr. Sie kam her und vernichtete das Werk der Wissenschaftler, die hier forschten.«
»Jaqueline Berger?«, wunderte sich Talabani. »Was machte sie hier?«
»Das weiß ich nicht. Sicher ist nur, dass sie es war. Es gab einen Überlebenden und er berichtete es mir. Aber letztlich spielt es keine Rolle, oder? Wir müssen eine Probe dessen finden, was hier produziert wurde. Also komm!«
Die beiden Männer eilten über einen Hof. Fast zwölf Jahre waren vergangen, seit die Forschungseinrichtung zerstört worden war. Der Regenwald hatte sich bereits Teile davon zurückgeholt. Der Beton war an vielen Stellen aufgerissen, Pflanzen hatten sich durch die harte Oberfläche gearbeitet und Flechten gebildet, die das Grau des Belages bedeckten. Eines Tages würde das alles unter dem ewigen Grün verschwunden sein.
Ein paar Affen saßen auf den Ruinen der Forschungsstation. Sie flohen, als die beiden Männer auf sie zuhielten und einen Eingang suchten.
Schließlich fanden sie eine Lücke zwischen den Steinen, quetschten sich hindurch und sahen, dass ein Schacht in die Tiefe führte.
Malik hatte mit dem Überlebenden gesprochen. Er wusste, dass es ein Tiefgeschoss gab, in dem die Proben aufbewahrt worden waren.
Nun musste sich zeigen, ob etwas davon die Detonationen überstanden hatte.
Der Schacht war an einigen Stellen sehr schmal. Mehrfach mussten sie sich zwischen Steinen hindurchdrücken, ehe es weiterging.
Schließlich erreichten sie das Tiefgeschoss. Sie sahen mehrere zerstörte Aufzüge. Reste von Menschen lagen herum. Knochen, Schädel. Die Detonation hatte die Körper zerfetzt, die Reste waren von Insekten bis auf das blanke Gebein abgenagt worden. Selbst die Uniformen oder Kleider der Leichen waren kaum noch vorhanden.
Sie sahen Spuren von Wassereinbruch, Brandspuren und Einschusslöcher in den Wänden. Ein Mann schien hier unten eine Weile überlebt zu haben, denn er kauerte neben einem Lüftungsschacht, der ebenfalls in die Höhe führte. Kratzspuren an den Rändern der Öffnung bewiesen, dass er sich hatte hochziehen wollen; vielleicht um nach Hilfe zu rufen.
Das Skelett saß aufrecht, die leeren Augenhöhlen glotzten den Männern entgegen.
»Dort hinten!« Malik deutete auf eine Metalltür. Sie war aus den Angeln gerissen worden, Detonationsspuren wiesen auf eine Menge Sprengstoff hin. Auch im Innern des Raums, den sie einst verschloss, hatte eine Explosion gewütet. Regale waren aus den Halterungen gerissen worden, kleine Metallbehälter lagen auf dem Boden.
»Vorsichtig! Wir brauchen einen verschlossenen, intakten Probebehälter. Du erkennst ihn an der grünen Kontrolllampe. Solange sie brennt, ist im Innern alles in Ordnung.«
»Nach all den Jahren?«, fragte Talabani erstaunt.
Malik nickte. »Laut meinen Informationen hat diese kleine Birne Saft für 30 Jahre. Das entspricht der Dauer, die der Inhalt stabil überdauern kann.«
Mit den Füßen drehten sie die Behälter um. Die meisten von ihnen waren aufgeplatzt. Bei jenen, die noch geschlossen waren, leuchtete das Lämpchen allzu oft rot oder war erloschen.
Sie wollten die Hoffnung schon aufgeben, als sie einen grünen Schimmer sahen. Begraben unter diversen Probenbehältern und Schleim, der ihnen jedoch nicht mehr gefährlich werden konnte, fanden sie das Gesuchte.
Talabani hob den Behälter auf. »Allah ist uns gnädig! Schau dir das an!«
Maliks Augen leuchteten. Er spürte die Aufregung, als er den Behälter entgegennahm und die Versiegelung sicherheitshalber prüfte.
Dann schaute er auf die kleine Anzeige unter dem Lämpchen. »Das ist ein Volltreffer!«, wisperte er. »750 Milliliter Schleim! Das ist mehr, als wir gehofft haben!«
»Wie viele Bomben kann man damit bauen?«, fragte Talabani.
»Wir bauen gar keine Bomben!«, erwiderte Malik. »Wir halten hier etwas in Händen, das sehr viel wirkungsvoller ist als Bomben.«
»Keine Bombe?«, fragte der Araber enttäuscht. »Ich verstehe das nicht. Dieses Material muss doch verstreut werden!«
»Zuerst bringen wir es in ein Labor in Islamabad. Dort finden wir heraus, was das Zeug kann. Anschließend vermehren wir es und dann greifen wir unsere Feinde damit an.«
»Mit einer Bombe?«
Malik seufzte. »Nein, nicht mit einer Bombe. Vergiss die Bombe, Mann. Du bist besessen von Sprengstoff. Unser Angriff wird im Geheimen ablaufen. Die gottlosen Amerikaner werden erst dann bemerken, dass etwas nicht stimmt, wenn es zu spät ist!«
»Also töten wir uns nicht selbst?«
»Nein! Wir bereiten weitere Angriffe vor. Aber wenn du willst, kannst du ja nach Israel fahren und dich dort in die Luft sprengen. Allerdings erst, nachdem du mir geholfen hast, dieses Zeug nach Islamabad zu bringen!«
»Du nimmst den Dschihad nicht ernst!«, beklagte sich Talabani. »Du solltest mit Freunden sterben!«
»Alles zu seiner Zeit. Ich möchte so viele Ungläubige wie möglich töten. Nicht nur ein paar Hundert oder ein paar Tausend. Ich will sie ausrotten und dafür muss ich leben! Das ist es, warum mich Allah hat studieren lassen, und das ist die Aufgabe, die ich zu erfüllen habe.«
»Ja, das klingt vernünftig!« Der Araber lächelte. »Bringen wir das Zeug in unser Labor.«
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