Kaltgeschminkt
»Wie würden Sie reagieren, wenn Sie mit einer Blutfee geschlafen hätten, nachts von einem wütenden Gespenst heimgesucht werden würden, das, erstaunlich materialisiert, Ihre Tür einzuhämmern versucht, und mit einem zum Wahnsinn neigenden Kollegen ein Dach und skurrile und moralisch absolut fragwürdige Tätigkeiten teilen müssten, dessen geistige Unversehrtheit sich rasant und stetig verabschiedet? Richtig, ihre gesunde Psyche stünde auf verdammt dünnem Eis.«
Der glücklos suizidaffine Bestatterlehrling Harris McLeod hat keine Ahnung, dass sein Ausbilder Miller in Diensten der drei Todesherrscher steht. Als Harris schließlich – weil er seine Spielschulden nicht zahlen kann – eine tödliche Abreibung kassiert, stirbt Miller ebenfalls. Grund für die Todesherrscher, einen Nachfolger zu suchen und Harris – mit der Aussicht auf Wohlstand, sollte er für sie arbeiten, – wieder zurück unter die Lebenden zu schicken. Beim Anblick von Millers Leiche nimmt ein Plan in Harris Gestalt an. Er übernimmt das Beerdigungsinstitut und könnte fortan ungestört seiner Profession nachgehen, stände nicht plötzlich der Exil-Brite James Beastly, seines Zeichens ebenfalls ehemaliger Lehrling von Miller, mit einem makabren Problem vor seiner Tür. Er versucht in seinem Hamburger Institut erfolglos eine Leiche zu präparieren, am darauffolgenden Tag jedoch befindet sich der Tote stets wieder in seinem ursprünglichen unschönen Zustand.
Harris willigt ein, zu helfen, folgt Beastly nach Hamburg und lernt dort dessen Assistentin, Ex-Geliebte und Blutfee Rachelle kennen und lieben.
›Die Lhiannan Sidhe wird sich Ihnen wohl leise und sanft von genau der Seite aus nähern, die sie gerade nicht im Blick haben. Erst das leise Glühen ihrer Augen lenkt Ihre Aufmerksamkeit auf sie. Es gibt männliche und weibliche Exemplare, wobei die weiblichen überwiegen, da pro Clan nur ein Herrscher zum Fortbestehen der Rasse benötigt wird. Raten Sie mal, was mir den anderen männlichen Schätzchen passiert. Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf.«
Hauptakteur und unbedingter Sympathieträger in Kaltgeschminkt ist der anfangs – sogar bei seinen Selbstmordversuchen – glücklose Jungbestatter Harris McLeod, der so gesellig und bescheiden daherkommt, dass einem dazu gleich Benedict Cumberbatchs Sherlock einfällt. Als gleichwertiger Sparringspartner für einige großartige Wortgefechte dient bald der nicht minder redegewandte James Beastly.
Als ebenso eloquent im Umgang mit der deutschen Sprache erweist sich die Autorin selbst, die immerhin gebürtige Schottin ist. Hier könnte sich so mancher Muttersprachler noch 1-2 Scheiben abschneiden.
Aufgrund eben dieser (absichtlich?) etwas antiquiert wirkenden Sprache wähnt man sich zunächst in einem viktorianischen Setting bis klar wird: »Das Ding spielt in der Gegenwart.« Autorin Rona Walter schreibt nach eigener Aussage bewusst im Stil der Gothic Novel, was hier aber durch das letztendlich aktuelle Umfeld, eine Portion Erotik und den zeitgemäßen Humor modernisiert wird. Diesem ist es auch zu verdanken, dass in dem Roman nicht die klassische Gruselstimmung aufkommt, die durch das Cover suggeriert wird, doch das war auch nicht das Ziel der Autorin. Miss Walter wollte keine ausgetüftelte Gruselgeschichte schreiben, sondern stellt ihre Protagonisten und deren Entwicklung in den Vordergrund. Und dies ist sogar innerhalb dieses ungewöhnlichen Sujets mehr als gut gelungen.
Am Rande hat Rona Walter, die sich selbst passenderweise gerne im Gothic-Look ablichten lässt, noch eine Liebeserklärung an Hamburg und die Schwarze Szene der Hansestadt in ihren Roman eingebaut.
Bei aller Sympathie für die Autorin und ihren erfrischenden Stil muss doch auch erwähnt werden, dass die Story stellenweise arg holpert und man des Öfteren den roten Faden, der sich um die Machenschaften der drei ominösen Todesherrscher spannen sollte, verliert. Doch darüber tröstet schon alleine das unterhaltsame Zusammenspiel der beiden Bestatter hinweg.
Für das superbe Covermotiv des Buches war, das eigentlich nur aus den Farben Türkis und Schwarz besteht, ist Grafiker Timo Kümmel verantwortlich. Ebenfalls ist der Titelschriftzug und das Verlagslogo brillant in das Motiv eingegossen. Das Taschenbuch macht mit dem stabilen Klappcover und der festen Leimung einen hochwertigen Eindruck. Auch Satz und Druck tragen zum einwandfreien Erscheinungsbild bei. Eine mustergültige Veröffentlichung des noch jungen Luzifer Verlags Steffen Janssen.
Fazit:
Auch wenn der Roman stellenweise etwas im Leerlauf fährt, macht Kaltgeschminkt einfach Spaß. Rona Walter hat ihre Figuren im Griff und besticht mit einem frischen, gewissenhaften Schreibstil und angenehm schwarzem Humor.
Copyright © 2013 by Elmar Huber
Rona Walter
Kaltgeschminkt
Luzifer Verlag, Ahlen, 2012
Taschenbuch, Klappbroschur
Phantastik
240 Seiten, 14,50 Euro
ISBN: 9783943408041
Covermotiv von Timo Kümmel
www.luzifer-verlag.de
www.facebook.com
timokuemmel.wordpress