Paraforce Band 7
»Äthiopien! Ich kann es nicht glauben!«, schwärmt Ximena, während sie sich im Sitz des alten, aber bequemen Mercedes rekelt. Im Westen wäre der Wagen höchstens noch bei Oldtimer-Treffen aus der Garage gerollt. Hier, in Afrika, wird er liebevoll gepflegt und dient nach wie vor als Taxi.
Ob der breite, durchgehende Ledersitz dabei dem Original entspricht, vermag ich nicht zu sagen. Gemütlich ist er auf jeden Fall.
Und auch die Klimaanlage, die für eine angenehme Temperatur sorgt, dürfte nachträglich eingebaut worden sein.
»Bei diesem Job kommt man rum«, bestätige ich. »Das war mit ein Grund, warum ich mich damals rekrutieren ließ. Die Aussicht, fremde Länder zu besuchen und etwas von der Welt zu sehen, reizte mich enorm.«
»Wie lief das eigentlich?«, will Ximena wissen. »Kam eines Tages jemand zu dir und fragte, ob du für den Geheimdienst arbeiten möchtest? Oder war es wie bei mir – du hast bei einem Einsatz assistiert und wurdest abgeworben?«
»Ich war zur richtigen Zeit am falschen Platz«, erwidere ich sinnierend. »Durch Zufall geriet ich in eine gemeinsame Aktion des Five und des Six. Ich kam als junge Beamtin zu einem vermeintlichen Tatort. Überall lagen Tote, die Täter hatten eine Nachricht an der Wand hinterlassen; geschrieben mit Blut.
Die Agenten vor Ort wollten mich abwimmeln. Sie winkten mit ihren Ausweisen und machten mir klar, dass die Metropolitan Police verschwinden könne. Dann rief einer, sie bräuchten hier pronto einen Übersetzer.«
»Du konntest die Sprache lesen?«, fragt Ximena.
Ich nicke. »Es war eine simple Botschaft in einer alten arabischen Sprache. Ich kannte sie von den Ausgrabungen, zu denen mich mein Vater als Jugendliche zwang. Also übersetzte ich auf dem Weg hinaus recht beiläufig, was die Täter geschrieben hatten. Die Agenten baten mich freundlich, noch eine Weile zu bleiben. Dann kamen die Täter zurück und alles lief aus dem Ruder.«
Ximena stößt einen leisen Pfiff aus. »Es kam zu einer Schießerei?«
»Milde ausgedrückt … Am Ende waren noch ein Agent und ich unverletzt. Er rief mir zu, dass die Typen keinesfalls die Stadt verlassen dürften; alles, was ich tun würde, könne er decken. Dann starteten wir. Am Ende waren die Täter tot, Dokumente gesichert und ich erhielt zwei Einladungen; sowohl der Five als auch der Six hatten Interesse an einer Mitarbeit. Vor allem, als sie erfuhren, wer mein Vater ist.«
»Und du hast dich für den MI6 entschieden …?«
Abermals nicke ich. »Wie gesagt – die Aussicht, fremde Länder zu besuchen, reizte mich. Zudem waren gerade die Twin Towers in Rauch aufgegangen und ich ahnte, in welche Richtung die Reise gehen würde. Sie schickten mich zu einem Spezialtraining zum Joint Services Command and Staff College in Watchfield, damit ich die militärischen Grundlagen erlernen und an den dortigen körperlichen Ausbildungen teilnehmen konnte. Anschließend folgten weitere Kurse und Lehrgänge, kleinere Einsätze und schließlich die Beförderung zum Flight Lieutenant und somit die Freigabe für Einsätze aller Art; inklusive jener, die durch den Intelligence Service Act, Absatz 7 gedeckt sind.«
»Flight Lieutenant? Du gehörst also der Luftwaffe an?«, fragt Ximena.
»Eigentlich ja. Das M in MI6 steht ja für Military. Sie ließen mich wählen, ob ich lieber zur Air Force oder der Navy möchte. Ich entschied mich für die Luftwaffe, denn ein Flugtraining erschien mir sehr viel sinnvoller als nautisches Wissen. Laut Ausweis und Türschild bin ich zudem zwar Commander Laura Stewart, in meinem neuen Dienstvertrag, den mir Vauxhall Cross schickte, steht jedoch die korrekte Bezeichnung – Wing Commander. Spielt aber keine Rolle …«
Ximena schaut aus dem Fenster. »Schon seltsam. Die Welt der Geheimdienste war für mich zuvor ein Buch mit sieben Siegeln. Wir hassten es, wenn sich die Anzugträger der CIA oder der NSA in einen Fall einmischten. Und nun bin ich Agent Junior Grade …«
Vor einer Ampel halten wir.
»Die Kollegen vor Ort waren nicht erfreut, als sie von eurer Ankunft erfuhren«, meldet sich Jane über Headset. Unser Operator sitzt in New York und schlürft in Ruhe einen Kaffee, während wir im Schneckentempo durch Addis Abeba kriechen. »Sie meinten, das sei typisch. Die arroganten westlichen Agenten kommen, weil sie den Kollegen in Afrika nicht zutrauen, den Fall zu meistern.«
Sie lacht leise.
»Und warum sind wir wirklich hier?«, will Ximena wissen.
»Weil wir den Kollegen in Afrika nicht zutrauen, den Fall zu meistern«, erwidere ich ungerührt.
Meine Partnerin lacht laut. »Echt?«
»Hast du dir die Akten der Kollegen angeschaut?«, fragt Jane. »Zwei Priester, die schwören, die Bundeslade zu bewachen. Dann noch ein Medizinmann, ein Wissenschaftler und eine … Seherin … Außerdem zwei Polizisten. Das ist das Team von Äthiopien. Wobei sich die Seherin zurzeit im HQ aufhält, um Singh zu … unterstützen.«
»Warum wurden diese Leute rekrutiert?«, wundert sich Ximena.
»Jedes Land entscheidet selbst, wen es zu Paraforce entsendet. So steht es im Vertrag. Manche schicken Agenten, andere Polizisten, Experten für Paranormales … Oder eben Geistliche und Seher«, erklärt Jane.
Meine Partnerin holt ihren Haiku-7 hervor und überfliegt die Informationen.
Ich hingegen kenne den Bericht in- und auswendig.
Laut ihm haben Wissenschaftler eine uralte Mine freigelegt. In ihr fanden sie nicht nur Skelette, Werkzeuge und Waffen, sondern auch ein Artefakt, das ihnen Kopfzerbrechen bereitete. Umso mehr, als dass dieses Artefakt Magie wirkte und ein paar dieser Wissenschaftler in Dörrwürste verwandelte.
Bei dem Fund handelt es sich um einen Stab aus Metall, etwa 90 Zentimeter lang, reich verziert und mit einer roten Kristallspitze.
Nach den Todesfällen wurde sofort Paraforce informiert; die Kollegen stellten das Artefakt sicher und telefonierten mit New York.
Singh will den Stab haben, aber Baptiste traute den Kollegen nicht zu, ihn ohne Zwischenfälle ins HQ zu bringen. Solche Dinge, so sagte er, neigen dazu, eine gewisse Eigendynamik zu entwickeln.
Darum liegt der Stab nun in einem Tresor hier in Addis Abeba und wir sind unterwegs, um ihn zu holen.
»Bald sind wir da!«, lässt uns der Fahrer wissen. Er spricht schlechtes Englisch, sein Lächeln weist einige Zahnlücken auf und sein Atem riecht nach dem Essen, das man hier serviert.
»Vielen Dank!«, erwidere ich auf Amharisch, was dazu führt, dass mich der Fahrer mit einem Redeschwall überflutet.
Woher ich seine Sprache könne, was wir im Land täten, wo unser Hotel läge …
Zum Glück werden wir abgelenkt, denn vor uns taucht eine Polizeisperre auf. Der Fahrer stoppt, wir sehen Krankenwagen und Polizeifahrzeuge vor einem weiß gestrichenen Haus stehen.
Da es sich dabei um das äthiopische Büro von Paraforce handelt, gefällt uns dies ganz und gar nicht …
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