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Bighead

Charity hat ein Problem mit Männern, denn sie ist nicht fähig zum Orgasmus zu kommen, sodass ihre Verabredungen in der Regel nach dem ersten Sex beendet sind. Aus Kummer beschließt sie ihrer Tante Annie, die in Virginia ein Gästehaus betreibt, und die Charity nach dem Selbstmord ihrer Mutter aufgezogen hat, einen Besuch abzustatten. Eine Mitfahrgelegenheit findet sie bei der lebenslustigen, nymphomanischen Journalistin Jerrica, die einen Bericht über die Gegend schreiben will. Jerrica kann von Männern nicht genug bekommen, woran ihre letzte Partnerschaft zerbrochen ist. Und bereits in der ersten Nacht verführt sie Annies hünenhaften aber etwas schlichten Hilfsarbeiter Goop. Als Jerrica und Charity im Ort eine Bar besuchen, entdeckt Jerrica auf der Toilette eine merkwürdige Nachricht: Bighead war hier. Vom Barkeeper erfahren sie, dass es früher in den Wäldern ein Monsterkind mit einem abnorm großen, deformierten Schädel gab, das wahllos Menschen vergewaltigte und tötete und ihr Gehirn fraß. Für die junge Frau ist das nichts weiter als eine lokale Legende, die Jerrica für ihren Artikel auszuschlachten gedenkt. Doch Bighead ist grausame Wirklichkeit, denn nachdem sein etwas zurückgebliebener, hinterwäldlerischer Großvater stirbt, macht sich Bighead auf den Weg in die Zivilisation – und hinterlässt eine Spur aus verstümmelten Leichen. Doch Bighead ist nicht der einzige Killer, der die Umgebung unsicher macht. Tritt „Balls“ Conner und Dicky Caudill liefern Schwarzgebrannten aus, von dem sie sich nicht selten selbst einen Schluck genehmigen. Zum Zeitvertreib aber fahren sie durch die Gegend und foltern, vergewaltigen und töten Menschen, vorzugsweise Frauen. In einer alten Abtei, die von dem abgehalfterten Priester Alexander restauriert werden soll, kreuzen sich die Wege der Frauen und der drei so unterschiedlichen Killer …

Horror ist bekanntlich ein Genre, das sich selbst immer wieder neu zu erfinden versucht, indem sich Filme und Bücher gegenseitig mit immer ausgefalleneren Schockmomenten, grausamen Splatter-Szenen und Obszönitäten zu übertrumpfen versuchen. In puncto Büchern hat der Festa Verlag aus Leipzig mittlerweile die Nase vorn, zumindest was die härtere Gangart des Horrors betrifft. Und einer der wichtigsten Autoren des Genres ist mit Abstand Edward Lee. Nach der Lektüre von „Bighead“ wird klar, warum sich bislang kein renommierter Großverlag an die Werke von Lee herangetraut hat, denn was dem Leser auf 350 Seiten geboten wird, ist nicht nur verabscheuungswürdig brutal, sondern auch obszön und pervers. Die ausdrückliche Warnung des Verlags muss dieses Mal absolut ernst genommen werden, im Gegensatz zu dem vergleichsweise harmlosen „Haus der bösen Lust“. Gegen Lees menschenverachtende Fantasien sind die Werke von Richard Laymon, Jack Ketchum und Bret Easton Ellies fast schon jugendfrei. Mit diesem Roman hat der amerikanische Schriftsteller bewiesen, dass es immer noch eine Steigerung des Grauens gibt. Trotz der Tatsache, dass die Passagen mit Bighead, sowie mit Tritt Balls Conner und seinem Kumpel Dicky eine scheinbar endlose Aneinanderreihung von Gräueltaten sind, die dem Leser buchstäblich den Magen umdrehen, ist der Roman weit davon entfernt, eine anspruchslose Lektüre für Möchtegernpsychopathen zu sein. Denn gerade in der Charakterisierung von Charity, Jerrica und Pater Alexander beweist Edward Lee nicht nur sein Talent als Schriftsteller, sondern auch sehr viel Einfühlungsvermögen und ein gewisses Maß an ultraschwarzem Humor (siehe Alexanders Träume von einem fluchenden, rauchenden Jesus). Und ja, Lee hat tatsächlich eine Geschichte zu erzählen, die sich am Ende auf abstruse, aber schlüssige Art und Weise auflöst. Der Roman wird die Horror-Fans in zwei Lager spalten, denn um den Plot zu schlucken benötigt man sehr viel Toleranz gegenüber verrückten Ideen. Schließlich bleibt es dem Leser überlassen wie er die Psychopathen Tritt Balls Conner und Dicky einschätzt, und inwieweit das Handeln von Bighead zu verurteilen ist. Denn während die einen wissentlich ihren niedersten Instinkten folgen, ist der andere ein Opfer seiner Herkunft und seiner Erziehung. Lees Schreibstil ist auch dieses Mal flüssig und minimalistisch, auch wenn die Kapitel von Bighead, Tritt Balls Conner und Dicky in einem hinterwäldlerischen, bewusst stupiden Slang verfasst sind. Horror-Fans mit starken Mägen (aber auch nur die!) dürfen jedenfalls bedenkenlos zugreifen.

Für das Titelbild zeichnet sich Danielle Tunstall verantwortlich, die Bighead zwar nicht so dargestellt hat, wie er im Roman beschrieben wird, aber dennoch so verstörend und unheimlich, dass allein das Cover die Neugier des Lesers weckt. Die Verarbeitung des Taschenbuchs, inklusive Satzspiegel und Papierqualität lassen keine Wünsche offen.

Fazit:
Absolut krank, pervers und brutal. Edward Lee hat mit diesem Roman eine Grenze überschritten. Nur für absolut hartgesottene Horror-Fans geeignet.

Copyright © 2012 by Florian Hilleberg

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Edward Lee
Horror TB – Band 44
Bighead
The Bighead, USA 1999
Festa Verlag, Leipzig
August 2012

352 Seiten, 13,95 Euro
ISBN: 9783865521613
Taschenbuch, Horror
Aus dem Amerikanischen
von Manfred Sanders
Titelgestaltung
von Danielle Tunstall

www.festa-verlag.de